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CHICA-FARBE

Mit dem Chica, das Alexander von Humboldt von seiner Forschungsreise aus Lateinamerika mit nach Hause brachte, verhielt es sich anders als zunächst vermutet. Er war davon ausgegangen, dass die rote Erdfarbe zum Schutz vor Insektenstichen diente. Zahlreiche Begegnungen mit indigenen Gruppen zeugten jedoch von einer soziokulturellen Praxis: Die Menschen, die entlang des gigantischen Flusses Orinoco wohnten, verwendeten das Chica zum Verzieren ihrer Haut.

Den Deckel der Holzspandose versah Humboldt mit einer Notiz. Er schrieb: „Chica aus den eingeweichten Blättern der Bignonia chica. Die berühmte Farbe mit welcher sich die Indianer am Orinoco am Leibe bemalen. Das [Stück] kostet 1½ Thaler. Die Mönche handeln damit und sehen deshalb das Nacktgehn sehr gerne.“ Humboldt verwies damit auf einen Widerspruch. Während Nacktheit im Christentum als Sünde begriffen wurde, nutzten sie die Kolonisatoren zum eigenen Vorteil.

Doch nicht nur Missionare versuchten, Profit aus dem kolonialen Leben zu schlagen. Der französische Chemiker Jean-Baptiste Boussingault erkannte im Chica bald ein vielversprechendes Färbemittel. In Kombination mit Baumwolle ergab es eine gelbe bis rote Färbung und bot damit lukrative Möglichkeiten für den europäischen Markt.

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HEILIGER IBIS

Was hat dieser ausgestopfte Vogel mit dem Sprachwissenschaftler Wilhelm von Humboldt zu tun? War es nicht sein Bruder Alexander, der von seinen Forschungsreisen Pflanzen, Steine und Tierpräparate mitbrachte? Der auf dem afrikanischen Kontinent heimische Ibis war für Wilhelm von Humboldt nicht aus biologischer, sondern aus sprachwissenschaftlicher Perspektive interessant. Seit den 1820er Jahren und bis zu seinem Tod 1835 beschäftigte sich Wilhelm nicht nur mit den Sprachen der Welt, sondern auch mit Schriftsystemen wie den ägyptischen Hieroglyphen.

Der Ibis war eines der Zeichen dieser ältesten bekannten Schrift Ägyptens, an deren Entzifferung sich Wilhelm von Humboldt versuchte. Über den Ibis schrieb er in einem Brief:

„Die weissen und schwarzen Federn dieses Vogels wurden zugleich auf den Mond, wegen seiner Licht- und Schattenseite, […] und die Sprache bezogen, welche, erst im Gedanken verborgen, durch die Zunge hervortritt. So bildet man also durch dies Zeichen den Begriff des halb Offenbaren und halb Ungesehenen. […] Die Hieroglyphen waren nicht bloß Zeichen, sondern wirkliche Wörter für das Auge.“

Anders als Humboldt annahm, bestand die ägyptische Schrift jedoch nicht nur aus Bildern, sondern wies auch Lautzeichen ähnlich unseres Alphabets auf. Diese bahnbrechende Erkenntnis, die seine frühen schrifttheoretischen Ausführungen über den Haufen warf, erreichte Humboldt bald im Austausch mit anderen europäischen Wissenschaftlern.

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