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Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland

More Story

Das digitale Angebot „More Story” zur Ausstellung „Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland” bietet die Möglichkeit, unabhängig vom Museumsbesuch Hintergrundinformationen und Einblicke zu bekommen. Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums, erklärt, wie es zur Ausstellung kam. Projektleiterin Dorlis Blume geht auf das Konzept und den Aufbau der Ausstellung ein. Achim Bonte, Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin, spricht zum Vorlass von Wolf Biermann. Als Zeitzeug*innen geben Roland Jahn und Gabriele Stötzer einen Einblick, wie Wolf Biermann ihr Leben beeinflusst hat.

Wolf Biermann ist einer der bekanntesten Liedermacher Deutschlands in Ost und West. Seine Ausweisung aus der der DDR 1976 war ein politischer Einschnitt und das Eingeständnis großer Ratlosigkeit der Parteiführung der SED. Anders als weniger bekannte Künstler*innen, war Biermann zu populär geworden, um ihn in Haft zu nehmen und er war zu unberechenbar, um öffentliche Auftritte zu erlauben.

Wolf Biermann auf der Oranienburger Straße mit dem Fernsehturm im Hintergrund

Wolf Biermann auf der Oranienburger Straße mit dem Fernsehturm im Hintergrund, Ost-Berlin, 1975

© Thomas Höpker / Agentur Focus, Hamburg

Wolf Biermann beim Konzert in der Sporthalle Köln

Wolf Biermann beim Konzert in der Sporthalle Köln, 13. November 1976

Barbara Klemm/Frankfurter Allgemeine Zeitung © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt/Main. Alle Rechte vorbehalten.

Viele seiner Lieder, Balladen und Gedichte haben den aktuellen Anlass ihrer Entstehung überdauert. „Warte nicht auf bessre Zeiten“, „Ermutigung“, „Ballade vom preußischen Ikarus“ sind Klassiker geworden. Die Ausstellung präsentiert das Leben und Werk von Wolf Biermann in seiner Verwobenheit mit der deutsch-deutschen Zeitgeschichte.

„Wir möchten uns natürlich mit den Mitteln von Historikerinnen und Historikern mit der Geschichte beschäftigen und in diesem Fall mit der Biografie eines heute noch lebenden, bedeutenden Autors, Liedermachers und Lyrikers.“

Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums

„Das Gestaltungsbüro hat versucht, das Leben Wolf Biermanns in Bilder umzusetzen. Besonders geprägt hat ihn die deutsch-deutsche Grenze, deshalb ziehen sich gezackte Wände in Betonanmutung durch die Ausstellung. “

Dorlis Blume, Projektleiterin

Achim Bonte über den Vorlass von Wolf Biermann

Eine von ca. 40 in der Sowjetunion hergestellten Speditionskisten, in denen Wolf Biermann sein persönliches Eigentum aus der DDR nach Hamburg überstellt wurde.

Eine von ca. 40 in der Sowjetunion hergestellten Speditionskisten, in denen Wolf Biermann sein persönliches Eigentum aus der DDR nach Hamburg überstellt wurde. Foto: Eric Tschernow © Wolf & Pamela Biermann, Hamburg

Ausbürgerung

Am 13. November 1976 fand in der Kölner Sporthalle das legendäre Konzert vor 8.000 Zuschauer*innen statt. Drei Tage später meldete die Aktuelle Kamera: „Die zuständigen Behörden der DDR haben Wolf Biermann, der 1953 aus Hamburg in die DDR übersiedelte, das Recht auf weiteren Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik entzogen." Die SED-Führung hatte den Entzug der Staatsbürgerschaft offenbar schon vor dem Konzert beschlossen.

In einem offenen Brief an die SED-Führung protestierten prominente Schriftsteller*innen, Stephan Hermlin, Christa Wolf, Jurek Becker, Stefan Heym u.a., gegen die Ausweisung Wolf Biermanns. Dieser offene Protest war neu in der DDR. Bald kursierten landesweit Listen mit Unterschriften. Die Unterzeichner*innen wurden massiv unter Druck gesetzt, einige erhielten Haftstrafen.

Gaberiele Stötzer über Wolf Biermann und ihre Inhaftierung

Die Parteipresse begrüßte dagegen die Ausbürgerung. In der Bundesrepublik berichteten sämtliche Medien über die Ereignisse. Solidaritätsbekundungen für Biermann kamen auch aus dem Ausland.

In der DDR zerbrach am Fall Biermann die Hoffnung der Kulturschaffenden auf einen gemeinsamen Weg des sozialistischen Aufbaus mit der Regierung endgültig.

Hunderte Künstler*innen stellten in der Folge Ausreiseanträge, darunter Sarah Kirsch, Manfred Krug, Eva-Maria und Nina Hagen. Viele wurden, wie Jürgen Fuchs, Christian Kunert und Gerulf Pannach, auch gegen ihren Willen in den Westen abgeschoben.

Ausschnitt eines Protestbriefes gegen die Ausbürgerung Biermanns, Ost-Berlin 1976

Protestbrief (Ausschnitt) gegen die Ausbürgerung Biermanns, Ost-Berlin 1976

© Staatsbibliothek zu Berlin – PK /Abteilung Handschriften und Historische Drucke /Archiv Wolf Biermann

Roland Jahn über Wolf Biermann und seine Ausbürgerung

Observationskamera des Ministeriums für Staatssicherheit

Observationskamera des Ministeriums für Staatssicherheit, Jena, ca. 1975

© DHM, Foto Sebastian Ahlers

Stasi

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterstand der SED-Führung. Die Stasi sicherte den Machterhalt von Staat und Partei durch systematische Einschüchterung der Bevölkerung. In einem Staat ohne Meinungs- und Pressefreiheit verhinderte und zerschlug sie jede Art von Opposition.

Wolf Biermann gehörte neben seinem Freund, dem Dissidenten Robert Havemann, zu den am stärksten überwachten Personen in der DDR. Nachdem Biermann 1965 komplettes Publikations- und Auftrittsverbot erhalten hatte, weitete das MfS die Maßnahmen gegen ihn aus. Post, Telefon, Wohnung und persönliche Kontakte wurden ständig observiert.

Einige der Tagebücher von Wolf Biermann

Einige der Tagebücher von Wolf Biermann

© Staatsbibliothek zu Berlin – PK /Abteilung Handschriften und Historische Drucke /Archiv Wolf Biermann

Biermann fürchtete wegen „staatsgefährdender Propaganda und Hetze“ verhaftet zu werden. In seinen Lebenserinnerungen berichtet er, dass er bereits im Sommer 1976, einige Monate vor seiner Ausbürgerung, ein ungutes Gefühl gehabt habe. „Irgendwas passiert, irgendwas liegt in der Luft“, vertraute er seinem Freund Reimar Gilsenbach an. Dieser bot an, die Tagebücher, die Biermann seit 1954 führte, sicherheitshalber zu verstecken, auf seinem Grundstück im märkischen Brodowin. Bis Gilsenbach sie Biermann 1988 zurückbrachte, lagerten 50 Tagebücher unentdeckt auf dem Grundstück.

Roland Jahn über die Stasi