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Begleitend zur Ausstellung „Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland” (noch bis 14.1.2024) lädt das Deutsche Historische Museum in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Staatsbibliothek zu Berlin zu der Gesprächsreihe „Biermann im Kontext“ in den Pei-Bau ein. Der Journalist und Literaturkritiker Lothar Müller blickt mit wechselnden Gästen aus der Perspektive des Jahres 2023 auf die Zeit von den 1960er Jahren bis zum Ende der DDR und zur Etablierung der „Deutschen Einheit“ zurück. Kurze Filmausschnitte leiten jede Gesprächsrunde ein.

Am Mittwoch, den 18. Oktober 2023 um 18.30 Uhr spricht Lothar Müller mit Daniel Cohn-Bendit, Kai Sina und Willi Winkler über „Biermann und der Westen. ‚Deutsche Miserere’ (1978) im Kontext“: Wolf Biermanns Lyrikdebüt „Die Drahtharfe“ erschien 1965 im West-Berliner Wagenbach Verlag, im selben Jahr war er zu Gast bei Wolfgang Neuss in dessen „Domizil“ am Lützowplatz. Die Schallplatte, die den gemeinsamen Auftritt dokumentiert, erschien in der „twen serie“ bei Philips. Der seit 1965 mit Auftrittsverbot belegte Sänger hatte lange vor dem Kölner Konzert und auch danach ein Publikum im Westen. Was bedeutete seine Ausbürgerung für die westdeutsche Linke, wie agierte Biermann im Westen nach seiner erzwungenen Rückkehr nach Hamburg?

Mit einem Ausschnitt aus dem Beitrag „Die aus dem Osten – im Westen“ des politischen Magazins Kennzeichen D (1986).

Letzte Veranstaltung der Gesprächsreihe „Biermann im Kontext“:

Mittwoch, 1.11.2023, 18.30 Uhr
Biermann und die Juden
„Großer Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk“ (1994) im Kontext
Mit Dmitrij Kapitelman und Annette Leo

Wolf Biermanns Vater Dagobert wurde als Jude und Kommunist in Auschwitz ermordet. Der Sohn schrieb 1964, als er seine Observierung durch die Stasi zu beobachten begann, in sein Tagebuch: „Deutschland ist ein Schandfleck auf dem Erdapfel, es ist das faule Loch, in das die Würmer kriechen, es soll verflucht sein. Ich bin Jude.“ Viele Akteure im kulturellen Leben der DDR waren Juden und Kommunisten zugleich. Das Judentum war in dieser Personalunion das prekäre Element. Welche Rolle spielten die Juden in der DDR? Wie äußerte sich der Antisemitismus im antifaschistischen Staat? Und welche Wege führten zu Biermanns Übersetzung von Jizchak Katzenelsons „Großem Gesang“?

Mit einem Ausschnitt aus dem Film „Die Verhaftung der Schuldigen – Holocaust-Mahnmal in Altona“ von Til Biermann (2021).

Der Eintritt ist frei. Anmeldung unter: www.dhm.de/anmeldung-biermann
Das gesamte Begleitprogramm kann auf dem DHM-Soundcloud-Kanal nachgehört werden.

Save The Date:
Am 11. und 12. November 2023 findet ein eintrittsfreies Programm-Wochenende statt: Unter dem Motto „Ermutigung“ lädt das DHM zu Musik, Führungen und Filmen rund um die „Biermann“ Ausstellung in den Pei-Bau ein.

Zur Ausstellung:
Wolf Biermann ist einer der bekanntesten Liedermacher Deutschlands – Ost und West. Seine Ausweisung aus der DDR 1976 war eine politische Zäsur in der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte und das Eingeständnis großer Ratlosigkeit der SED-Parteiführung. Anders als weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler war Biermann zu populär geworden, um ihn in Haft zu nehmen und er war zu unberechenbar, um ihm öffentliche Auftritte zu erlauben. Viele seiner Lieder, Balladen und Gedichte haben den aktuellen Anlass ihrer Entstehung überdauert. „Warte nicht auf bessre Zeiten“, „Ermutigung“ oder „Ballade vom preußischen Ikarus“ sind Klassiker geworden.

Die von Monika Boll („Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert”) kuratierte Ausstellung thematisiert das Leben und Werk Wolf Biermanns vor dem Hintergrund der besonderen Stellung, die die Kultur in der DDR einnahm. Die Schau präsentiert Biermanns Schaffen in seiner Verwobenheit mit den (kultur-)politischen Ereignissen der deutsch-deutschen Zeitgeschichte. Der Ausstellungsrundgang folgt dem Werdegang des Liedermachers von seiner Übersiedelung in die DDR über erste künstlerische Erfolge bis zum Auftritts- und Publikationsverbot und schließlich seiner Ausbürgerung. Für Biermann bedeutete der erzwungene Wechsel von Ost nach West zunächst eine Herausforderung: Wie definierte sich ein Liedermacher neu, der sich bei aller Kritik an der SED-Führung als Kommunist verstand? Als 1989 die Bürgerrechtsbewegung in der DDR erstarkte und die Regierung ins Wanken geriet, blieb Biermann vorerst Zaungast. Auf PDS und DIE LINKE als Nachfolgeparteien der SED blickt er bis heute mit kritischer Distanz. Eine ausführliche Station ist auch der Familiengeschichte Wolf Biermanns gewidmet: Für Biermann, dessen Vater Dagobert als Jude und Mitglied des kommunistischen Widerstands in Auschwitz ermordet wurde, war dies nicht erst nach seiner Ausweisung aus der DDR zentral.