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Das Deutsche Historische Museum hat in einem Grundlagenforschungsprojekt in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste die Objektüberwei-sungen staatlicher Institutionen aus der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR untersucht. Die Ergebnisse des zweijährigen Projekts wurden nun in einem Abschlussbericht auf der DHM-Website und in der Forschungsdatenbank Proveana des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste veröffentlicht. Erforscht wurden die verschiedenen Wege, auf denen mehr als 53.000 Objekte in das Museum für deutsche Geschichte (MfDG) gelangten. Im Fokus standen dabei die Erwerbspraxis in der Aufbauphase des nationalen Geschichtsmuseums der DDR in den 1950er und 1960er Jahren und die dahinterstehenden Netzwerke in Politik, Be-hörden und der Museumslandschaft der DDR. Die Sammlungsbestände des MfDG waren 1990 an das Deutsche Historische Museum übertragen worden.

Das DHM konnte in der Studie die unterschiedlichen Zugangswege von Objekten in das MfDG exemplarisch nachzeichnen: etwa über den Kulturbund und die Räte von Städten und Gemeinden während der Bodenreform, aus Tauschvereinbarun-gen mit Regionalmuseen der DDR oder aus zurückgelassenen Beständen von „Republikflüchtlingen“.

Fritz Backhaus, Sammlungsdirektor der Stiftung Deutsches Historisches Museum: „Die Erkenntnisse aus dieser ersten Forschungskooperation mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste sind eine wichtige Grundlage für unsere weitere Erforschung der Herkunft musealer Objekte aus der Zeit der SBZ und der DDR. Unsere vertieften Recherchen und Aktenfunde haben unter anderem erste Anhaltspunkte zur enormen Bedeutung der Tresorverwaltung im Finanzministerium der DDR in Bezug auf staatlich strukturierte und koordinierte Objektbewegungen ermöglicht. In einer weiteren Kooperation werden wir nun grundlegend die Funkti-onsweisen und Netzwerke der Tresorverwaltung untersuchen.“

Uwe Hartmann, Fachbereichsleiter am Deutschen Zentrum Kulturgutverluste: „Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert die Grundlagenforschung zum Entzug von Kulturgütern in der SBZ und der DDR. Damit sollen der einschlägigen Provenienzforschung das nötige Wissen und die Handwerkszeuge bereitgestellt werden. Einer unserer wichtigen Kooperationspartner hierbei ist das Deutsche Historische Museum. Stand bei unserem ersten gemeinsamen Projekt das Behördengeflecht bei der Aufteilung und Weiterleitung von Kulturgütern im Fokus, so wird dieser jetzt auf die Arbeitsweise eines wichtigen staatlichen Akteurs, der Tresorverwaltung im Ministerium der Finanzen, gerichtet.“

Die Tresorverwaltung im Finanzministerium der DDR hatte die Verfügungsgewalt über Depotschließfächer und Tresore geschlossener Banken nach 1945 im Bereich der DDR. Davon betroffen waren „herrenlose“ Objekte und auch Besitztümer ver-folgter jüdischer Bürgerinnen und Bürger in den nach 1945 nicht geöffneten Altbanken. In diesem Forschungszusammenhang sind auch Enteignungen während der Bodenreform, zurückgelassenes Vermögen von aus der DDR Ausreisenden oder Gegenstände aus Beschlagnahmen relevant: Schmuck, Bestecke, Uhren und Münzen, Edel- und Halbedelsteine, Porzellan, Teppiche, Gobelins, Briefmarkensammlungen, wertvolle Gemälde, Grafiken, Skulpturen sowie andere Gegenstände von besonderem Kunstwert wurden dem staatlichen Einzelhandel oder, soweit sie musealen Charakter hatten, den staatlichen Museen verkauft und in einigen Fällen auch entschädigungslos übergeben. Woher die Tresorverwaltung die Objekte kon-kret bezog und nach welchen Mechanismen was wohin weitergegeben wurde, will die Studie in den nächsten zwei Jahren ergründen.

Dabei kann auf wichtige Erkenntnisse aus dem ersten Kooperationsprojekt zurückgegriffen werden: Im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde wurde eine bisher unbekannte Akte zu Berliner Bankgebäuden und ihren Tresorinhalten entdeckt, die eine Entschlüsselung der Tresorbezeichnungen zulässt. Damit wird erstmals eine Zuordnung von Inventarnummern auf frühen Übergabeprotokollen der Tresorverwal-tung zu einzelnen Banken und Tresoren möglich. Zudem konnte in den Inventarbüchern des MfDG als häufiger Vorbesitzer von Objekten wie Gemälden, historischen Dokumenten, Gläsern, Porzellan, Münzen und Schmuck das Ministerium der Finanzen der DDR und dessen Abteilung Tresorverwaltung identifiziert werden.

Repräsentative Studie zu den Übergaben staatlicher Institutionen und Organisati-onen an das Museum für Deutsche Geschichte der DDR (Abschlussbericht in gekürzter Fassung)

Der vollständige Abschlussbericht der ersten Forschungskooperation kann in der Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste aufgerufen werden.