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Begleitend zur Ausstellung „Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland” (noch bis 14.1.2024) lädt das Deutsche Historische Museum in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Staatsbibliothek zu Berlin zu der Gesprächsreihe „Biermann im Kontext“ in den Pei-Bau ein. An fünf Abenden blickt der Journalist und Literaturkritiker Lothar Müller mit wechselnden Gästen aus der Perspektive des Jahres 2023 auf die Zeit von den 1960er Jahren bis zum Ende der DDR und zur Etablierung der „Deutschen Einheit“ zurück. Autorinnen und Soziologen, Kultur- und Geisteswissenschaftler, Zeitzeuginnen und Historiker verschiedener Generationen kommen zu Wort, kurze Filmausschnitte leiten jede Gesprächsrunde ein.

In der ersten Ausgabe am Mittwoch, den 6. September 2023 um 18.30 Uhr spricht Lothar Müller mit seinen Gästen Volker Braun, Prof. Dr. Eva Geulen und Durs Grünbein über „Biermann und die Kulturpolitik. ‚An die alten Genossen’ (1962) im Kontext“: Biermanns „Gesang an die alten Genossen“ war aus der Perspektive der Jugend geschrieben. Er endet mit den Zeilen „Setzt eurem Werk ein gutes Ende / Indem ihr uns / Den neuen Anfang lasst!“ Als er ihn im Dezember 1962 auf der Veranstaltung „Junge Lyrik“ in der Akademie der Künste vortrug, war nicht nur der Literaturredakteur des Neuen Deutschland erbost. Zugleich gab es gut ein Jahr nach dem Mauerbau auch Hoffnungen auf eine liberalere Kulturpolitik. Das 11. Plenum der SED machte ihnen 1965 ein Ende. Was wurde aus den Impulsen für einen „neuen Anfang“ in den nachfolgenden Generationen? Welche Rollenspiele, welche ästhetischen Strategien erfanden Autoren und Autorinnen in einem Staat, der repressiv war und zugleich „Kulturnation“ sein wollte?

Mit einem Ausschnitt aus dem Beitrag „Vor seiner Ausbürgerung. Ein Wohnungs-Konzert Wolf Biermanns in der Chausseestraße“ des politischen Magazins „Kennzeichen D“ (1971).

Alle Veranstaltungen der Gesprächsreihe „Biermann im Kontext“:

Mittwoch, 6.9.2023, 18.30 Uhr
Biermann und die Kulturpolitik
„An die alten Genossen“ (1962) im Kontext

Mit Volker Braun, Eva Geulen und Durs Grünbein

Mittwoch, 20.9.2023, 18.30 Uhr
Biermann und die Stasi
„Stasi-Ballade“ (1967) im Kontext

Mit Marianne Birthler, Julia Franck und Philip Oltermann

Mittwoch, 4.10.2023, 18.30 Uhr
Biermann und die Ausbürgerung
„Ballade vom preußischen Ikarus“ (1976) im Kontext

Mit Bettina Leder, Doris Liebermann und Steffen Mau

Mittwoch, 18.10.2023, 18.30 Uhr
Biermann und der Westen
„Deutsches Miserere“ (1978) im Kontext

Mit Daniel Cohn-Bendit, Kai Sina und Willi Winkler

Mittwoch, 1.11.2023, 18.30 Uhr
Biermann und die Juden
„Großer Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk“ (1994) im Kontext

Mit Dmitrij Kapitelman und Annette Leo

Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist erforderlich unter: www.dhm.de/anmeldung-biermann
Das gesamte Begleitprogramm kann auf dem DHM-Soundcloud-Kanal nachgehört werden.

Ab dem 23. September 2023 präsentiert das Zeughauskino in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Deutschen Kinemathek die Filmreihe „EIN ANFANG VOM ENDE DER DDR. Die Biermann-Petitionisten der DEFA und ihre Filme in Ost- und Westdeutschland“: In der DDR setzte sich ab Mitte der 1970er Jahre eine Reihe von Filmen kritisch mit den gesellschaftlichen Zuständen in ihrem Land auseinander. Sie erzählen von zwischenmenschlichen Konflikten und persönlichen Problemen, die sich parabelhaft auf gesellschaftliche Missstände in der DDR beziehen lassen. Die im Westen realisierten Arbeiten der aus der DDR stammenden Drehbuchautoren, Regisseure, Schauspielerinnen und Schauspieler reflektieren wiederum Erfahrungen der erzwungenen Emigration, des Lebens im kapitalistischen Ausland und der Entfremdung von der Heimat. Die Filmreihe, die die deutsch-deutsche Filmgeschichte im Vorfeld und Nachgang der Ausbürgerung Wolf Biermanns in den Blick nimmt, erzählt von den Versuchen ostdeutscher Filmschaffender, sich angesichts einer repressiven Politik des Politbüros dies- und jenseits der Mauer zu behaupten und treu zu bleiben.

Weitere Informationen und Tickets unter: www.zeughauskino.de

Zur Ausstellung:

Wolf Biermann ist einer der bekanntesten Liedermacher Deutschlands – Ost und West. Seine Ausweisung aus der DDR 1976 war eine politische Zäsur in der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte und das Eingeständnis großer Ratlosigkeit der SED-Parteiführung. Anders als weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler war Biermann zu populär geworden, um ihn in Haft zu nehmen und er war zu unberechenbar, um ihm öffentliche Auftritte zu erlauben. Viele seiner Lieder, Balladen und Gedichte haben den aktuellen Anlass ihrer Entstehung überdauert. „Warte nicht auf bessre Zeiten“, „Ermutigung“ oder „Ballade vom preußischen Ikarus“ sind Klassiker geworden.

Die von Monika Boll („Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert”) kuratierte Ausstellung thematisiert das Leben und Werk Wolf Biermanns vor dem Hintergrund der besonderen Stellung, die die Kultur in der DDR einnahm. Die Schau präsentiert Biermanns Schaffen in seiner Verwobenheit mit den (kultur-)politischen Ereignissen der deutsch-deutschen Zeitgeschichte. Der Ausstellungsrundgang folgt dem Werdegang des Liedermachers von seiner Übersiedelung in die DDR über erste künstlerische Erfolge bis zum Auftritts- und Publikationsverbot und schließlich seiner Ausbürgerung. Für Biermann bedeutete der erzwungene Wechsel von Ost nach West zunächst eine Herausforderung: Wie definierte sich ein Liedermacher neu, der sich bei aller Kritik an der SED-Führung als Kommunist verstand? Als 1989 die Bürgerrechtsbewegung in der DDR erstarkte und die Regierung ins Wanken geriet, blieb Biermann vorerst Zaungast. Auf PDS und DIE LINKE als Nachfolgeparteien der SED blickt er bis heute mit kritischer Distanz. Eine ausführliche Station ist auch der Familiengeschichte Wolf Biermanns gewidmet: Für Biermann, dessen Vater Dagobert als Jude und Mitglied des kommunistischen Widerstands in Auschwitz ermordet wurde, war dies nicht erst nach seiner Ausweisung aus der DDR zentral.