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Der U-Boot-Krieg

Unterseeboote sind Erfindungen des 19. Jahrhunderts. Schon um 1850 begann man sich in den Marinen der Welt für ihre militärische Nutzung zu interessieren, in Deutschland erst sehr zögerlich am Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Marineleitungen glaubten noch lange an die Überlegenheit der Überwasserschlachtflotten aus schweren Linienschiffen und schnellen Kreuzern. Dem U-Boot traute man nur eine untergeordnete Rolle im Handelskrieg und in der Aufklärung zu. In Deutschland hatten U-Boote demzufolge keine Namen, sondern Nummern: Das Boot U1 wurde 1906 in Dienst gestellt.

Das Völkerrecht aber betrachtete U-Boote wie Kreuzer. Sie durften nicht einfach feindliche Handelsschiffe versenken, sondern mussten sie stellen, anhalten, durchsuchen und dann gegebenenfalls nach „Prisenordnung“ kapern oder versenken, nachdem für die Besatzung gesorgt worden war. Dementsprechend sah auch ihre technische Ausstattung aus: mit einer Diesel- oder Petroleummaschine für die Überwasserfahrt und einem schwächeren Elektromotor für die kurzen Abschnitte unter Wasser. Es handelte sich eigentlich um Tauch-, nicht um Unterseeboote, denn gekämpft wurde über Wasser. Dafür war ein ungepanzertes U-Boot eigentlich zu empfindlich, und es büßte dabei zudem seinen Überraschungseffekt ein. Hauptwaffe waren Geschütze, die sich mit einem „Schuss vor den Bug“ – einem Warnschuss, der das feindliche Schiff am Weiterfahren hindern sollte – aus seerechtlichen Gründen über Wasser gegen Handelsschiffe besser einsetzen ließen als Unterwassertorpedos, die dem Überraschungsangriff auf Kriegsschiffe vorbehalten waren.

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Am 22. September 1914 versenkte das Boot U9 unter Kapitänleutnant Otto Weddigen in der Nordsee auf einen Schlag drei britische Kreuzer. Plötzlich war das U-Boot eine ernst zu nehmende Waffe, die geeignet erschien, der britischen Überlegenheit auf allen Ozeanen aus der Tiefe heraus entgegenzutreten. Auch die Bevölkerung war von der neuen Waffe nach den ersten Erfolgen begeistert. Mit zahlreichen propagandistisch unterstützten Spendenaktionen wurde um Geld zum Ausbau der U-Boot-Flotte geworben. Unter anderem lieferte auch der renommierte Marinemaler Willy Stöwer Plakatentwürfe wie diesen von 1917, auf dem das wie eine Nussschale erscheinende U-Boot bei Wind und Wetter dem Feind allein entgegen fährt. 

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Am 2. November 1914 hatte Großbritannien die Nordsee zum Kriegsgebiet erklärt und mit einer Blockade begonnen, die Deutschland vom Welthandel abschnitt. Daraufhin erklärte das Deutsche Reich das Seegebiet rings um Großbritannien zum Kriegsgebiet und befahl am 22. Februar 1915 den U-Boot-Krieg nach Prisenordnung gegen Handelsschiffe alliierter und neutraler Staaten innerhalb dieser Gewässer. In Ausnahmefällen wurde auf jedes Schiff scharf und ohne Warnung geschossen, auch ohne vorherigen "Schuss vor den Bug". Als im Mai 1915 bei der Versenkung der irrtümlich als Hilfskreuzer betrachteten Waffen transportierenden "Lusitania" über 100 US-Bürger ihr Leben verloren, protestierten die neutralen USA und drohten erstmals mit Kriegseintritt. Der U-Boot-Krieg begann, das diplomatische Klima zuungunsten Deutschlands zu beeinflussen. Daraufhin befahl Wilhelm II. sofort die Schonung neutraler Schiffe und feindlicher Passagierdampfer, schließlich die Beschränkung des U-Boot-Krieges auf das Mittelmeer. Die Alliierten reagierten mit der Bewaffnung von Handelsschiffen, die den ungeschützten U-Booten über Wasser gefährlich werden konnten. Als die politische und militärische Lage für Deutschland zunehmend schwieriger wurde, setzten sich nach schweren innenpolitischen Kämpfen die Befürworter des uneingeschränkten, also warnungslosen U-Boot-Krieges zum 1. Februar 1917 durch, was die Kriegserklärung der USA zum 6. April 1917 zur Folge hatte.

Auch wenn die Versenkungszahlen nach dem 1. Februar 1917 dramatisch nach oben schnellten und bei den Alliierten große Besorgnis erregten, entsprach der uneingeschränkte U-Boot-Krieg bei Weitem nicht den deutschen Erwartungen eines raschen Zusammenbruchs Großbritanniens. Dazu trugen verbesserte Abwehrmethoden bei. Handelsschiffe wurden jetzt im Konvoi von  Kriegsschiffen begleitet. Auch der Transport der amerikanischen Truppen über den Atlantik wurde nicht einmal im Ansatz gestört. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg konnte den Kriegsverlauf nicht beeinflussen und blieb für das Deutsche Reich eine Enttäuschung. Schon vor Kriegsende wurde er im Oktober 1918 als Reaktion auf Woodrow Wilsons 14-Punkte-Programm wieder aufgegeben. Insgesamt versenkten 380 in Dienst gestellte deutsche U-Boote neben vielen Kriegsschiffen immerhin 5554 alliierte und neutrale Handelsschiffe. Die Kaiserliche Marine verlor dabei 187 U-Boote mit mehr als 5000 Mann.

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Sven Lüken
1. September 2014

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