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Der Waffenstillstand von Compiègne 1918

Aufgrund der aussichtslosen Lage an der Westfront und des Zusammenbruchs des verbündeten Bulgarien forderte die Oberste Heeresleitung (OHL) am 29. September 1918 die sofortige Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen. Nach wochenlangen Vorgesprächen zwischen der neuen Reichsregierung unter Prinz Max von Baden und US-Präsident Woodrow Wilson sowie der Verabschiedung von parlamentarischen Reformen im Deutschen Reich begannen am 8. November 1918 die Waffenstillstandsverhandlungen bei Compiègne im Norden von Paris. Am Morgen des 11. November 1918 unterzeichneten Matthias Erzberger und Ferdinand Foch in einem Eisenbahnwaggon im Wald von Compiègne den Waffenstillstand, der noch am selben Tag in Kraft trat: Um 11.00 Uhr gaben Trompetensignale an den Fronten das Ende der Kampfhandlungen bekannt, unmittelbar darauf schwiegen die Waffen.

Uncle Sam und John Bull, die Personifizierungen der USA und Englands, fesseln den am Boden liegenden deutschen Michel. Das große Wort hat jedoch, wie die Spottmedaille deutlich macht, der an dem typischen französischen Képi zu erkennende Marschall Ferdinand Foch. Als Oberbefehlshaber der verbündeten Streitmacht in Frankreich und Belgien hatte er die Entente 1918 zum Sieg über Deutschland geführt, das am 4. Oktober über die Schweiz ein deutsches Waffenstillstandsangebot an Woodrow Wilson auf Grundlage dessen 14-Punkte-Programms richtete. Am 8. Oktober forderte Wilson in seiner Antwortnote zunächst die Räumung der von den Mittelmächten besetzten Gebiete als Vorbedingung für weitere Verhandlungen, wozu sich die deutsche Reichsregierung am 12. Oktober bereit erklärte. In seiner zweiten Note warf Wilson dem Deutschen Reich mehrfachen Bruch des Völkerrechts vor und verlangte das sofortige Ende des uneingeschränkten U-Boot-Krieges.

Mit der Einstellung des U-Boot-Kriegs entsprach die Reichsregierung auch dieser Forderung Wilsons. Dennoch drängte er in seiner dritten Note vom 23. Oktober auf eine durchgreifende Parlamentarisierung und Machtbeschränkung der Fürsten und Militärs im Deutschen Reich. Zudem bestand er auf Waffenstillstandsbedingungen, die eine deutsche Wiederaufnahme der Kampfhandlungen unmöglich machen sollten. Die OHL wollte sich dem widersetzen und den Kampf militärisch weiterführen, konnte sich aber gegen die Reichsregierung nicht durchsetzen. Mit der Entlassung Ludendorffs wurde der Weg frei für die vierte deutsche Note an Wilson mit der Bitte um konkrete Waffenstillstandsbedingungen. Wilsons positive Antwort vom 5. November ermöglichte die Entsendung einer deutschen Delegation. 

In Übereinstimmung mit der Reichsregierung hatte die OHL eine vornehmlich zivile Waffenstillstandsdelegation entsandt, die unter Leitung von Staatssekretär Matthias Erzberger stand. Wie von Erzberger am 7. November gefordert, gehörten seiner Delegation nur jeweils ein Vertreter von Heer und Marine an. Der Chef der OHL, Paul von Hindenburg, gewann Erzbergers Entscheidung pragmatisch schnell Positives ab: Vor der Öffentlichkeit konnte so die Verantwortung der Militärs für die Niederlage auf die Politik abgeschoben werden.  

Erzbergers Verhandlungsspielraum in Frankreich war von Anbeginn eng begrenzt: Foch machte unmissverständlich deutlich, dass die deutsche Delegation die von ihm diktierten Waffenstillstandsbedingungen anzunehmen habe. Jede Verhandlung über die Bestimmungen, die den Deutschen ein Weiterkämpfen unmöglich machen sollten, lehnte der Oberbefehlshaber nahezu kategorisch ab. Die Erfüllung der Waffenstillstandsbedingungen kamen einer offenen Kapitulation gleich: deutscher Rückzug aus den besetzten Gebieten in Frankreich und Belgien sowie aus Elsass-Lothringen, Besetzung der linksrheinischen Gebiete in Deutschland durch alliierte Truppen, Annullierung des Friedensvertrags von Brest-Litowsk zwischen Deutschland und Russland, Auslieferung von Waffen, von Lokomotiven, Eisenbahnwaggons und Lastwagen sowie Überführung von U-Booten, Panzerkreuzern und Zerstörern in alliierte Häfen.

Am 11. November 1918 unterzeichneten Erzberger und Foch den Waffenstillstand, dessen Bedingungen in Deutschland allgemein als zu hart und demütigend empfunden wurden. Sie erschütterten die deutsche Bevölkerung, die ein solches Ausmaß der Niederlage nicht erwartet hatte. Nicht nur die extreme Rechte empfand den Waffenstillstandsvertrag als eine Erniedrigung des Deutschen Reiches, wie es auch die Spottmedaille zum Ausdruck bringt.

Arnulf Scriba
8. September 2014

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