• 20010145

    Babykurs des Reichsmütterdienstes, um 1935

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Mütterschulen im "Dritten Reich"

Um die Kenntnisse von Frauen in den Bereichen Schwangerschaft, Pflege und Erziehung des Kindes zu verbessern, entstanden im Deutschen Reich Mütterschulen als Bildungseinrichtungen für Frauen und Mütter. Die Pädagogin Luise Lampert (1891-1962) gründete im Januar 1917 in Stuttgart die erste Mütterschule. Bis 1933 entstanden etwa 37 weitere Bildungseinrichtungen, meist in Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen, in freier Trägerschaft oder als kirchliche Einrichtungen. Konkreter Anlass der Errichtung von Mütterschulen war die hohe Säuglingssterblichkeit, deren Ursachen - schlechte und künstliche Ernährung, hohe Belastung der Arbeiterin, mangelnde Kenntnis in Hygiene und Pflege - mithilfe der Frauenbildung beseitigt werden sollten. Demzufolge lag der Fokus der Schulungen in der Weimarer Republik auf Kursen zu Schwangerschaft, Geburt und Pflege des Kindes.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wandelte sich das Profil der Mütterschulen, die nun strikt in die NS-Frauenpolitik eingebunden wurden. Der 1934 gegründete Reichsmütterdienst, eine gemeinsame Abteilung der NS-Frauenschaft (NSF) und des Deutschen Frauenwerks (DFW), übernahm die Organisation der Mütterschulen. Dem DFW unterlag fortan die praktische Durchführung der Kurse, die NSF bestimme deren ideologische Zielsetzung. Beide Organisationen waren der Leitung der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink unterstellt und arbeiteten über Querverbindungen eng zusammen.

Die Mütterschulen waren einheitlich auf Kreisebene organisiert, sollten alle Frauen ab 18 Jahren erfassen und gliederten sich in unterschiedliche Einrichtungstypen. In ländlichen Regionen fanden mobile Mütterschulungskurse statt, in größeren Städten wurden ständige Mütterschulen mit eigenen Räumlichkeiten eingerichtet. In Betrieben entstanden in Zusammenarbeit mit der Deutschen Arbeitsfront (DAF) spezielle Werkmütterschulen für Arbeiterinnen. Auch Internatsmütterschulen für verheiratete Frauen (Heimschulen) sowie für verlobte, kinderlose Frauen (Bräuteschulen) wurden eingerichtet.

Nachdem 1935 eine spezielle Reichsarbeitsgemeinschaft für Mütterschulen gegründet worden war, erklärte ein Erlass des Innenministeriums sie zum alleinigen Träger der Einrichtungen. Zudem legte eine Anordnung einheitliche Richtlinien zur Durchführung der Schulungen fest. Damit wurden die Mütterschulen politisch ausgerichtet und dienten vorrangig der Umsetzung eines nationalsozialistischen Frauenbildes, das die biologische Funktion der "Frau als Gebärerin" in den Mittelpunkt der Schulungen setzte.

Ab 1933 stieg die Zahl der Einrichtungen und Teilnehmerinnen an den Kursen rasch an. Im Jahr 1937 hatten bereits rund 1,14 Millionen Frauen an über 53.000 Kursen teilgenommen. Trotz anderer Zielsetzung waren Arbeiterinnen dabei nur schwach vertreten, wohingegen viele Frauen von Beamten, Angestellten und Selbstständigen die Kurse in Anspruch nahmen. Der Besuch der Kurse war freiwillig, allerdings standen unterschiedliche fürsorgliche Maßnahmen des NS-Staates in Zusammenhang mit der Mütterschulung. So war die Gewährung des Ehestandsdarlehens an einen Kursbesuch geknüpft, außerdem gab es Pflichtkurse für arbeitslose Frauen, die auf staatliche Sozialunterstützung angewiesen waren.

Die Inhalte der Schulungen bestanden in der Unterweisung in Haushalts- und Gesundheitsführung, Erziehungslehre, Volkstums- und Brauchtumspflege. Der Unterricht erfolgte nach einem von der NSF vorgeschriebenen Rahmenlehrplan und war mit nationalsozialistischen Ritualen wie dem morgendlichen Fahnenappell verbunden. Volkslieder, Sagen und Märchen sollten den Frauen die Idee der "Volksgemeinschaft" vermitteln, ihre Opferbereitschaft stärken und sie zu einer "dienenden Mütterlichkeit" erziehen. Die Mütterschulen wurden, ebenso wie das 1938 eingeführte Mutterkreuz, zum Bestandteil eines Mutterkultes, durch den die Frauen eine bestimmte Rolle innerhalb der "Volksgemeinschaft" zugewiesen bekamen.

Die Tätigkeitsfelder der Mütterschulen waren dementsprechend trotz einiger Kontinuitäten nicht mehr auf hauswirtschaftliche Unterweisung beschränkt, sondern beinhalteten die für eine nationalsozialistische Bildungseinrichtung typische ideologische Indoktrinierung. In ihrer politischen Zielsetzung war die Mütterschulung auf eine Funktionalisierung der Frau als Mutter gerichtet, die als "Erhalterin der Rasse" galt. Als Teil der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik sollten die Einrichtungen die Gebärfreudigkeit erhöhen, um den tatsächlichen Geburtenrückgang aufzuhalten. In ihrer Methode war die Mütterschulung weniger theoretisch als vielmehr praxisnah ausgerichtet. Die konkreten Beispiele sollten es den Frauen erleichtern, die ihnen zugewiesene Frauenrolle anzunehmen. So entsprachen beispielsweise die Möbel der Schulungsräume oftmals vorbildhaft einer typischen Wohnungseinrichtung in der Höhe des Ehestandsdarlehens.

Nachdem im November 1936 ein Abkommen zwischen dem SS-Reichsführer Heinrich Himmler und der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink die Vorbildfunktion von SS-Frauen betont hatte, verpflichtete ein Himmler-Erlass 1936 alle Partnerinnen von SS-Mitgliedern zu dem Besuch einer Mütterschulung. 1937 folgten auch einige Führer der SA dieser Vorgabe. Es entstanden spezielle Bräuteschulen für SS- und SA-Angehörige, in denen die Frauen in sechswöchigen Kursen auf ihre Rolle als Mutter vorbereitet und politisch geschult wurden. Als Vorbildschule entstand so in Schwanenwerder bei Berlin 1937 die erste Reichsbräuteschule unter der Leitung von Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink.

Milena Rolka
7. August 2015

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