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Die "Schillerfeste" 1859

Ende der 1850er Jahre gewann die deutsche Nationalbewegung an Dynamik. Der Wunsch nach einem geeinten Nationalstaat äußerte sich auch in den über 400 Gedenkfeiern, die anlässlich des 100. Geburtstags von Friedrich Schiller (1759-1805) stattfanden: Schiller-Vereine wurden gegründet, Festzüge durchgeführt und Denkmäler gestiftet. Der bedeutende Dichter der Weimarer Klassik, der sich in seinen Werken stets gegen Unterdrückung ausgesprochen hatte, wurde als nationales Freiheitsidol verehrt. Die "Schillerfeiern" wurden vielerorts als patriotische Demonstrationen verstanden.

Das Bekenntnis zu Friedrich Schiller und zum liberal-reformerischen Geist seines Werkes verlieh dem Verlangen nach Überwindung von Kleinstaaterei und politischer Bevormundung deutlich Ausdruck.

An den Umzügen beteiligten sich alle sozialen Schichten. Über 17.000 Menschen folgten in Hamburg dem Aufruf zum Festzug. Dort präsentierten Gesangs- und Turnvereine, Studentengruppen sowie verschiedene Handwerkerinnungen ihre nationale Gesinnung. Neben Fahnen in den Farben Schwarz-Rot-Gold trugen die Gruppen ihre jeweiligen Vereinssymbole. Die ganz in weiß gekleideten Turner beispielsweise schwenkten Banner mit dem aus vier F gebildeten Turnerkreuz: "Frisch - Froh - Frei - Fromm". In Frankfurt am Main, wo man einen Gedenktaler zu Ehren des Dichters prägen ließ, und in Leipzig versammelten sich jeweils knapp 10.000 Menschen. In Berlin zählte man bei der Grundsteinlegung für das Schillerdenkmal auf dem Gendarmenmarkt über 30.000 Anwesende.

Johannes Leicht
23. Juni 2010

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