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    Spendenaufrufplakat für das Winterhilfswerk, 1942

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Die NS-Kriegspropaganda

Die NS-Propaganda forcierte ab Frühjahr 1939 die in großen Teilen der deutschen Bevölkerung vorhandenen antipolnischen Ressentiments. Im August 1939 berichteten Zeitungen und Rundfunk fast täglich über angebliche polnische Grenzverletzungen und Gewaltakte an der in Polen lebenden deutschen Minderheit. Der Überfall auf Polen sollte so als "gerechte Strafaktion" für die Provokationen erscheinen. Die psychologische Kriegsmobilmachung mit der mythologischen Überhöhung vom Kampf, Opfer und Heldentod hatte bereits Mitte der 1930er Jahre begonnen. Nicht nur Wirtschaft, Industrie und Armee, sondern die gesamte Bevölkerung sollte für den geplanten Krieg mit Hilfe einer intensiven Propaganda mobil gemacht werden.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 steuerte das "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" unter Joseph Goebbels die Kriegsberichterstattung für die Heimat. Bereits ein knappes Jahr zuvor hatten das Propagandaministerium und das Oberkommando der Wehrmacht ein "Abkommen über die Durchführung der Propaganda im Kriege" geschlossen, in dem der "Propagandakrieg" als ein dem Waffenkrieg in wesentlichen Punkten "gleichrangiges Kriegsmittel" anerkannt worden war. Das nationalsozialistische Bild des Krieges kannte keine Distanz mehr zum Geschehen, mit bildlichen Mitteln sollte das Kriegsgeschehen dramatisiert und personalisiert werden. Die ab 1938 aufgestellten Propagandakompanien der Wehrmacht berichteten ab 1939 in Wort, Bild und Film zunächst über den Vormarsch, in späteren Kriegsjahren dann über den "heroischen Abwehrkampf" deutscher Truppen. Bildberichterstatter sollten sich so nah wie möglich an die Ereignisse heranbegeben. Ihre Fotografien und Filmaufnahmen mit oft dokumentarischem Charakter sollten den Betrachter unmittelbar in das Geschehen hineinziehen und so den Eindruck von Augenzeugenschaft und Authentizität vermitteln. Das oft verwendete Motiv des existenziellen Zweikampfes eines einzelnen Soldaten oder einer Kleingruppe von Soldaten stand stellvertretend für den Kampf des Deutschen Reiches gegen den Feind.

Den Propagandakompanien waren auch Künstler zugeteilt, die das Kriegsgeschehen an den verschiedenen Fronten und den Militäralltag in den besetzten Gebieten als Kriegsmaler oder Pressezeichner festhalten sollten. Ihre Gemälde und Zeichnungen waren in Zeitungen und Zeitschriften, auf Werbeplakaten und Postkarten sowie in zahlreichen Büchern zu sehen. Sie idealisierten das Bild des Soldaten und der Wehrmacht als Verteidiger der im Kampf geeinten "Volksgemeinschaft". Wie auch Fotografien und Filme verherrlichte die Bildende Kunst den Krieg und soldatische Tugenden wie Kameradschaft, Treue und Tapferkeit. Erfolgreiche Heerführer und Ritterkreuzträger der Wehrmacht wurden von der NS-Propaganda als gefeierte Helden umworben. Geradezu zu einem "Mythos" stilisiert wurde Erwin Rommel, der in der Bevölkerung hohes Ansehen genoss und für viele Wehrmachtssoldaten eine Identifikationsfigur darstellte.

Mit Beginn des Krieges wurde der deutschen Bevölkerung vom Luftschutz über das Sammeln von Altstoffen und das Einmachen von Lebensmitteln Verhaltensmaßregeln im Kriegsalltag nähergebracht. Propagandakampagnen schürten vor allem die Angst vor Spionage. Plakate und Flugblätter sollten die Deutschen sensibilisieren, möglicherweise nützliche Informationen nicht unbedacht an den Feind preiszugeben. Als genauso gefährlich für den deutschen Erfolg prangerte das NS-Regime vor allem in den letzten Kriegsjahren demotivierende "Gerüchtemacherei" in der Bevölkerung an. "Wer flüstert, lügt!" war daher in Deutschland eine ebenso verbreitete Losung wie "Feind hört mit". In Verbindung mit dieser Parole initiierte das Propagandaministerium 1943 die Kampagne mit einem Schattenmann als Symbol für einen feindlichen Spion, der quasi an jedem Ort lauern und "leichtsinnige Schwätzer" in Alltagssituationen belauschen könne. Zunächst ohne jeden Text an Hauswände geklebt, sollten die Schattenmann-Plakate Aufmerksamkeit erregen. Wenig später wurden sie durch Plakate mit dem erklärenden Zusatz "Pst!" und "Pst! Feind hört mit" ersetzt. Die Akzeptanz dieser Kampagne in der deutschen Bevölkerung schien sich in Grenzen zu halten, wie der Sicherheitsdienst (SD) im Januar 1944 berichtete: "Die Schattenaktion wird auch weiterhin von der Masse der Volksgenossen mit Kopfschütteln betrachtet; es wird überwiegend betont, daß es schade um die Materialverschwendung sei."

Offensichtlich erfolgreicher waren Kampagnen gegen die Sowjetunion. Mit Blick auf den bevorstehenden Überfall 1941 intensivierte die NS-Führung die Propaganda gegen den "jüdischen Bolschewismus" und die Forderung nach "Lebensraum im Osten". Düstere Farbgebung auf Plakaten und Broschüren ließ den als "Untermenschen" titulierten "Bolschewisten" besonders brutal und hinterlistig erscheinen. So sollte das Gefühl der Bedrohung aus dem Osten weiter geschürt und der rassebiologische Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion gerechtfertigt werden.

Als jedoch ab 1942 die Erfolgsmeldungen von der Ostfront ausblieben, wurde die deutsche Bevölkerung von der allgegenwärtigen und unablässigen Durchhaltepropaganda auf den "Totalen Krieg" und zunehmend auf eine größere Opferbereitschaft eingestellt. Eine ständig geschürte Angst vor dem Bolschewismus und dem "Einfall asiatischer Horden" ins Deutsche Reich sowie der Rache der Roten Armee sollten die deutsche Bevölkerung an der "Heimatfront" sowie die Frontsoldaten noch einmal zu Höchstleistungen für den "Endsieg" animieren. Die heroischen Darstellungen kämpfender Soldaten hatten jedoch nichts gemein mit deren alltäglichen Fronterfahrungen und den von ihnen erlebten Schrecken des Krieges: Das hohle Pathos von Gemälden, Zeichnungen und Fotografien stand im krassen Widerspruch zum massenhaften anonymen Sterben auf den Schlachtfeldern.

Arnulf Scriba
11. Mai 2015

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