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Die Inflation

Seit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 vermehrte sich im Deutschen Reich die umlaufende Geldmenge und führte zu einer kontinuierlichen Geldwertverschlechterung und sinkender Kaufkraft. Mit der militärischen Niederlage 1918 blähte sich die Geldmenge weiter auf. Nach Bekanntgabe der im Londoner Ultimatum von 1921 festgesetzten Höhe der alliierten Reparationsforderungen beschleunigte sich die Inflation nochmals. Als sie im November 1923 ihren Höhepunkt erreichte, waren die Ersparnisse zahlloser Familien vernichtet. Vor allem die völlige Entwertung der als mündelsicher angesehenen Kriegsanleihen führte zu einem immensen Vertrauensverlust in den Staat und erwies sich als äußerst schwere Hypothek der Weimarer Republik.

Die Inflation während des Ersten Weltkrieges

Das Kaiserreich besaß eine Goldwährung. Etwa ein Drittel des Geldumlaufes war durch Gold gedeckt, der Rest durch andere Sicherheitsmechanismen. Als im Zuge der Juli-Krise 1914 ein Krieg immer wahrscheinlicher wurde, zog die deutsche Bevölkerung in den letzten Juliwochen Goldmünzen im Wert von 100 Millionen Mark von den Reichsbankkassen ab. Am 31. Juli 1914 stellte die Reichsbank die Einlösung von Banknoten und Scheidemünzen in Gold ein. Um die staatlichen Goldvorräte zu erhalten, wurde die Goldwährung mit dem Ermächtigungsgesetz vom 4. August 1914 faktisch aufgehoben: Privatbanknoten, Reichskassenscheine und Scheidemünzen wurden von nun an bei allen öffentlichen Kassen nicht mehr gegen Gold eingetauscht. Zur Banknotendeckung wurden jetzt Schuldverschreibungen des Reiches zugelassen. Darlehnskassen, die Kredite zur Förderung von Handel und Gewerbe gegen Sicherheiten gewährten, konnten sogenannte Darlehnskassenscheine als Zahlungsmittel in Umlauf geben. Damit hatte die Reichsregierung den Weg zur Staatsfinanzierung durch vermehrten Geldscheindruck beschritten. Die umlaufende Geldmenge verfünffachte sich von Kriegsbeginn 1914 bis 1918 auf 33 Milliarden Mark, während gleichzeitig der Münzgeldumlauf an der Gesamtgeldmenge auf nur noch 0,5 Prozent gegenüber ca. 56 Prozent im Jahr 1913 zurückging.

Da das Warenangebot bestenfalls stagnierte und in vielen Bereichen sogar rückläufig war, kam es zu immer stärkeren Preissteigerungen. Der Außenwert der Mark schmolz zusehends, am Devisenmarkt stieg der Dollarkurs unaufhaltsam. Verschärft wurde die Lage durch die stetig ansteigenden Kriegskosten, die sich schließlich auf 164 Milliarden Mark beliefen. Deren Finanzierung erfolgte vor allem durch Anleihen (97 Mrd. Mark), Schatzwechsel, Schatzanweisungen und ähnliche Schuldverschreibungen (57 Mrd. Mark), aber nur zu einem kleinen Teil durch Kriegsabgaben und Steuererhöhungen (10 Mrd. Mark). Die Folge dieser Form der Kriegsfinanzierung war eine immense Staatsverschuldung.

Schon die Mobilisierung bei Kriegsbeginn hatte den Zahlungsmittelbedarf sprunghaft gesteigert. Die von der Obersten Heeresleitung in den ersten sechs Mobilmachungstagen benötigten 750 Millionen Mark führten zu einer Knappheit beim Kleingeld bis zum 5-Mark-Stück, obwohl alle Münzstätten auf Hochtouren arbeiteten. Um den Zahlungsverkehr aufrecht zu erhalten, gaben Städte, Gemeinden und Firmen mit staatlicher Duldung im August und September 1914 eigenes Notgeld zu 50 Pfennig, 1, 2, 3 und 5 Mark aus. Als die kriegswichtigen Rohstoffe Kupfer und Nickel knapp wurden, stellte das Reich 1915/16 die Kupfer-/Nickelprägungen bis zum 10-Pfennig-Stück ein und gab stattdessen Münzen aus Eisen, Zink und Aluminium heraus. Doch die produzierten Münzmengen deckten den Bedarf nicht, zumal die Bevölkerung das alte, nicht außer Kurs gesetzte Kupfergeld hortete. Daneben horteten etliche Stadtverwaltungen und Behörden Kleingeld in Millionenhöhe, um ihren eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Aufgrund des akuten Mangels an Kleingeld emittierten mehr als 2.000 kommunale und private Ausgabestellen 1915/16 wieder Notmünzen und Kleingeldersatzscheine. Für Kriegsgefangene wurde spezielles Lagergeld eingeführt.

Waren unmittelbar nach Kriegsbeginn Gold- und Silbermünzen in Umlauf geblieben, so wurden ab 1916 zunächst die Silbermünzen aus dem Verkehr gezogen, um zur Erzeugung kriegswichtiger Rohstoffe eingeschmolzen oder zur Bezahlung von Importen genutzt zu werden. Ähnlich verhielt es sich mit den Goldmünzen, die von der Bevölkerung im Rahmen der Sammelaktion "Gold gab ich für Eisen" an den Staat abgegeben wurden. Zum Ausgleich für die aus dem Umlauf gezogenen Gold- und Silbermünzen wurde im letzten Kriegsjahr Papiernotgeld ausgegeben.

Die Inflation nach Kriegsende 1918

Im Zuge der Bewältigung der Kriegsfolgelasten setzte sich die Geldentwertung durch die Aufnahme neuer Staatsschulden unvermindert fort. Soziale Leistungen für Kriegsopfer und Hinterbliebene sowie die Umstellung der Kriegswirtschaft auf eine Friedensproduktion destabilisierten den Reichshaushalt in immer größerem Ausmaß. Zur hohen Staatsverschuldung kamen die aus dem Versailler Vertrag abgeleiteten Reparationsforderungen, die erstmals im April 1921 beziffert und von den Alliierten wenig später mit dem Londoner Ultimatum durchgesetzt wurden. Mehr als 132 Milliarden Goldmark wurden vom Deutschen Reich als Kriegsentschädigung in Dollar ($), Pfund (£) und Franc (FF) gefordert. Um nicht die Verantwortung für die innenpolitisch heftig umstrittenen Reparationszahlungen übernehmen zu müssen, trat die amtierende Reichsregierung unter Konstantin Fehrenbach zurück und wurde am 10. Mai durch ein von Joseph Wirth geführtes Kabinett ersetzt, das die alliierten Forderungen so weit wie möglich erfüllen wollte, um zu demonstrieren, dass die alliierten Forderungen auch bei bestem Willen unerfüllbar seien. Die "Erfüllungspolitik" führte zu einer starken Polarisierung und gab den rechten Oppositionsparteien Auftrieb in ihrer nationalistischen Hetze gegen republiktreue Politiker.

Vor dem Hintergrund der innenpolitischen Auseinandersetzung beschleunigte sich der Währungsverfall. Die Einnahmen aus Steuern, Zöllen und Abgaben konnten den Finanzbedarf bei weitem nicht decken. Der Schuldendienst des Reiches lag bei 126 Prozent der Staatseinnahmen. Zur Deckung laufender Ausgaben mussten immer neue Kredite aufgenommen werden. Die Reichsbank diskontierte die Schatzanweisungen des Staates und überwies der Regierung immer größere Geldbeträge. Die steigende Verschuldung sowie der zur Begleichung der Reparationen in großem Umfang durchgeführte Devisenankauf ließen den Kurs der deutschen Währung immer weiter abrutschen und die Notenpressen immer mehr Geld drucken.

Die Hyperinflation 1923

Bis 1922 blieb der 1000-Mark-Schein der höchste Wert in der Nominalkette. Als der Mord an Walther Rathenau im Juni 1922 das Vertrauen in die Stabilität der Republik im In- und Ausland tief erschütterte, verlor die Mark rapide an Wert. Zudem hatte sich das Kabinett Wirth bei den laufenden Reparationsverhandlungen festgefahren und verfügte über keine Mittel, um den insbesondere von Frankreich angedrohten Einmarsch ins Ruhrgebiet abzuwenden; im November trat das Kabinett Wirth zurück. Doch auch der nachfolgenden "Regierung der Wirtschaft" unter dem parteilosen Wilhelm Cuno waren die Hände gebunden, als belgische und französische Truppen dann tatsächlich Anfang Januar 1923 ins Ruhrgebiet einmarschierten, um sich in den Besitz von "produktiven Pfändern" für ihre Reparationsforderungen zu bringen. Auf den Einmarsch reagierte die Reichsregierung mit der Proklamation des passiven Widerstandes, die gesamte Bevölkerung an Rhein und Ruhr trat in den Streik. Für die finanzielle Unterstützung der Streikenden druckten die Notenpressen immer mehr Geldscheine.

Die Geldschein-Nominale erhöhten sich nun in schneller Folge, bis die Reichsbank im November als höchsten Wert einen Geldschein über 100 Billionen Mark (100.000.000.000.000 M) drucken ließ. Zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs wurden riesige Mengen an Scheinen benötigt. Bis zu 133 Fremdfirmen mit 1.783 Druckmaschinen arbeiteten im Herbst 1923 für die Reichsdruckerei Tag und Nacht. Das dafür erforderliche Banknotenpapier wurde von 30 Papierfabriken produziert. Für den Druck stellten 29 galvanoplastische Werkstätten rund 400.000 Druckplatten her. Etwa 30.000 Menschen waren mit der Herstellung der insgesamt ca. 10 Milliarden staatlich ausgegebenen Inflationsscheine (10.000.000.000 Stück) beschäftigt. Trotzdem reichten die verfügbaren Zahlungsmittel nicht aus, die Druckmaschinen konnten den schwindelerregenden Wertverlust während der Hyperinflation einfach nicht mehr durch vermehrten Notendruck ausgleichen. Deshalb wurden von mehr als 5.800 Städten, Gemeinden und Firmen eigene Notgeldscheine herausgegeben. Die Bevölkerung nahm alles als Zahlungsmittel an, was wie Geld aussah oder irgendwie "wertbeständig" wirkte. Insgesamt sind über 700 Trillionen Mark (700.000.000.000.000.000.000 M) als Notgeld und rund 524 Trillionen Mark (524.000.000.000.000.000.000 M) von der Reichsbank verausgabt worden.

Die sozialen und politischen Folgen der Inflation

Mit fortschreitender Inflation hatte sich die Versorgungslage der Bevölkerung laufend verschlechtert. Dem Anstieg der Preise für Waren und Dienstleistungen konnten die Löhne und Gehälter nicht folgen. Der Reallohn sank auf ca. 40 Prozent seines Vorkriegsniveaus, weite Teile der deutschen Bevölkerung verarmten. Vermögenswerte schmolzen dahin. Ersparnisse wurden völlig entwertet, Spargelder von Generationen vernichtet. Feste Erträge oder Zinsen waren praktisch wertlos. Durch Mangel an Kaufkraft verloren auch Immobilien ihren Wert und wurden bei Notveräußerungen geradezu verschleudert. Das chaotische Geldwesen hatte einen geregelten Wirtschaftsbetrieb unmöglich gemacht. Oft erfolgten die Lohnzahlungen täglich. Jedermann versuchte, Bargeld schnellstmöglich in Sachwerte einzutauschen. Ladenöffnungszeiten richteten sich nach den Bekanntgabeterminen für aktuelle Wechselkurse. In Restaurants konnte sich die Zeche während der Mahlzeit verdoppeln. Kriminelle stahlen nun nicht mehr nur Geldbörsen, sondern durchsuchten ihre Opfer nach Wertsachen und rissen ihnen sogar Goldzähne heraus. Pfarrer hielten den Kirchgängern für die Kollekte nach den Gottesdiensten einen Wäschekorb hin.

Während die Inflation für Millionen von Zeitzeugen ein traumatisches Erlebnis war, gab es einige Profiteure. Da die Reichsbank der Industrie laufend kurzfristige Kredite aus der vermehrten Banknotenausgabe zur Verfügung stellte, konnten viele Unternehmen ihren Besitz mit Hilfe der fortschreitenden Geldentwertung erweitern. So baute etwa der Großindustrielle Hugo Stinnes durch die Aufnahme hoher Schulden sein Wirtschaftsimperium auf. Gemäß dem Grundsatz "Mark = Mark" konnten Kredite, die in höherwertigem Geld aufgenommen worden waren, mit entwertetem Geld zurückgezahlt werden. Schulden lösten sich in nichts auf. Ein noch größerer Profiteur war jedoch der Staat. Seine gesamten Kriegsschulden in Höhe von 164 Milliarden Mark beliefen sich bei der Währungsumstellung am 15. November 1923 auf gerade einmal 16,4 Pfennige. Am Ende der Inflation war der Papierwert der ersten Inflationsscheine größer als die Kaufkraft ihres Nennwertes. So verwendete man die Scheine vielfach zweckfremd und überdruckte sie zu Eintrittskarten, Mitgliederausweisen, Quittungen, Festtagsglückwünschen oder nutzte sie für politische Propagandazwecke.

Die Währungsreform

Um aus dem Chaos herauszukommen, musste ein Weg zur Einstellung des Ruhrkampfs gefunden werden. Dem Rücktritt der gescheiterten Regierung Cuno vom 12. August folgte einen Tag später die Ernennung des ersten Kabinetts unter Gustav Stresemann. Im Bemühen um eine Stabilisierung der Währung nahm das Reich im August 1923 eine wertbeständige Anleihe in Höhe von 500 Millionen Goldmark auf. Immer mehr Verwaltungs- und Wirtschaftsbereiche gaben wertbeständiges Notgeld als Waren- und Sachwertgutscheine aus. Diese Scheine lauteten auf Roggen, Weizen, Holz, Teer, Kohlen, Zucker, Speck, Strom und Gas. Es folgten Goldwertemissionen auf Mark-, Dollar- und Franc-Basis. Schließlich kursierten mehr als 2.800 verschiedene wertbeständige Geldscheinsorten in Deutschland.

Als die Regierung Stresemann am 26. September das offizielle Ende des Ruhrkampfes verkündete, reagierte die Bayerische Staatsregierung noch am selben Tag angesichts der nationalistischen und separatistischen Proteste gegen die Einstellung des passiven Widerstandes mit der Verhängung des Ausnahmezustandes in Bayern. Aus Furcht vor einer drohenden Eskalation des Konflikts zwischen Bayern und dem Reich folgte am nächsten Tag die umgehende Verhängung des Ausnahmezustands über das gesamte Reichsgebiet durch Reichspräsident Friedrich Ebert.

Zur Bekämpfung der Inflation wurde am 16. Oktober der Beschluss über die Errichtung der Deutschen Rentenbank verkündet. Als der Dollar wenig später einen neuen Höchstkurs von 40 Milliarden Mark erreichte, verstärkten sich in Sachsen Unruhen republikanisch-proletarischer Kräfte, die eine "großkapitalistische Militärdiktatur" befürchteten. Dem Beispiel der offenen Auflehnung Sachsens folgte nun auch Thüringen. Während der Konflikt zwischen Bayern und dem Reich bedrohlich eskalierte und immer mehr rechtsgerichtete Wehrverbände einen bewaffneten "Marsch nach Berlin" forderten, wurde in Aachen eine separatistische Rheinische Republik ausgerufen, und in Hamburg kam es zu bewaffneten Straßenkämpfen zwischen Kommunisten und der Polizei. Auf dem Höhepunkt dieser akuten Krise um die Reichseinheit verbreiterte sich die Bereitschaft zur Errichtung einer Militärdiktatur. Mit seinem Putschversuch vom 8./9. November 1923 wollte Adolf Hitler die chaotische Lage in seinem Sinne ausnutzen.

Mit der Währungsreform trat am 15. November eine neue Währungsordnung in Kraft, welche die Inflation schlagartig beendete. Im Zuge des komplizierten Stabilisierungsprogramms hatte die Deutsche Rentenbank ein Grundkapital von 3,2 Milliarden Rentenmark (= 3,2 Milliarden Goldmark) durch Aufnahme einer Grundschuld von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Gewerbe erhalten. Der Kurs für einen Dollar wurde auf 4,2 Billionen Papiermark (= 4,20 Rentenmark) festgesetzt. Weil aber nicht genügend neue Rentenmarkscheine zur Verfügung standen, liefen einige Notgeld- und Inflationsscheine, zumeist wertbeständiges Notgeld, noch bis Mitte 1924 um.

Angesichts der katastrophalen Folgen der Inflation überdachten die Alliierten ihre Politik gegenüber dem Deutschen Reich. Der Amerikaner Charles Dawes entwickelte für die Reparationskommission 1924 einen neuen Zahlungsplan und schlug eine 800 Millionen Goldmark hohe Anleihe zur Stabilisierung der Mark vor. Dem Dawes-Plan folgend, erhielt die Reichsbank am 30. August wieder ihre frühere Funktion einer von der Regierung unabhängigen Notenbank. Im Oktober 1924 führte die Reichsbank die Reichsmark ein, gab aber noch bis 1937 weitere Rentenmarkscheine aus, weil die Reichsbank nicht alle Rentenbankkredite wie geplant tilgen konnte.

Michael Kunzel
14. September 2014

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