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Ludwig van Beethoven

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) gilt als wesentlicher Vertreter und Vollender der „Wiener Klassik“ sowie als Wegbereiter der musikalischen Romantik. Seine Werke durchbrachen die bisherigen musikalischen Konventionen und bereits seine Zeitgenossen sahen ihn als Persönlichkeit, die ein neues Zeitalter in der Musik ankündigte. Er ging einen ungewöhnlichen Weg als selbstständiger Künstler, sein teilweise ungestümes Auftreten irritierte und faszinierte gleichermaßen. Durch sein Gehörleiden erhielt sein Dasein einen tragischen, schicksalhaften Zug. In seinen Werken reflektierte Beethoven die gesellschaftlichen Entwicklungen und Umbrüche von der Aufklärung über die Französische Revolution bis zur Restauration. Dabei nahm er auch direkten Bezug auf historische Ereignisse.

Die Grundlagen hierfür entstanden während Beethovens Kindheit und Jugend in seiner Heimatstadt Bonn. Mit 13 Jahren wurde er Organist am Hof des Kurfürsten und Erzbischofs von Köln Maximilian Franz (1756 – 1801), einem Bruder von Kaiser Joseph II. (1741 – 1790).  Das aufgeklärte Klima am Hof und in der Stadt prägte Beethoven. Eine frühe Komposition, die „Kantate auf den Tod Joseph II.“ (WoO 87) von 1790, verdeutlicht dies. Sie ist Beethovens erstes groß besetztes Werk für Solisten, Chor und Orchester. Der Text von Severin Anton Averdonk (1768 – 1817) beschreibt in symbolhaften Bildern das politische Wirken Josephs II. im Sinne der Aufklärung. In der Kantate bezwingt Joseph II. ein Ungeheuer mit Namen „Fanatismus“. Gemeint war damit der religiöse Fanatismus in Form der katholischen Staatsreligion, das heißt alle Religionen, mit Ausnahme der römisch-katholischen, waren im Habsburgerreich verboten. In den 1780er Jahren erließ Joseph II. verschiedene Toleranzedikte, die eine Ausübung anderer Glaubensrichtungen erlaubte und damit die religiöse Intoleranz beendeten. Neben dem symbolischen Sieg über das Ungeheuer wurde dies in der Kantate durch ein typisches Bild der Aufklärung dargestellt, dem Triumph des Lichts über die Dunkelheit. Beethoven verdeutlichte dies durch ein musikalisches Motiv, das als „Humanitätsmotiv“ bezeichnet wird. Während der Text der Kantate einen schöpfungsgleichen Akt schildert, in dem die Menschen aus der Dunkelheit in eine aufgeklärte, erleuchtete Welt treten, breitete sich das Motiv musikalisch wie Sonnenstrahlen in alle Teile des Orchesters aus.

Beethoven nutzte dieses Motiv 15 Jahre später erneut in seiner Oper „Fidelio“. Es erklingt am Beginn der Szene, in der dem Gefangenen Florestan die Ketten abgenommen werden. „Fidelio“ ist eine Rettungs- oder Befreiungsoper, wie sie in der Zeit nach der Französischen Revolution in Paris modern waren. Angesiedelt in einem fiktiven Spanien, handelt die Oper von der Befreiung des politischen Häftlings Florestan durch den mutigen Einsatz seiner Frau Leonore, die sich als Kerkergehilfe Fidelio verkleidet in das Gefängnis begab, um nach ihrem Mann zu suchen. Am Ende wird Florestan durch ihren Einsatz und die Begnadigung des Fürsten befreit. „Fidelio“ dramatisierte damit den Kampf des Einzelnen für Freiheit und Gerechtigkeit. Beethovens einzige Oper entstand bereits 1805, sie wurde aber erst in der dritten Fassung 1814 ein Erfolg.

Aufklärung und Adel

Die Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution beeinflussten auch Beethovens sinfonische Werke, zum Beispiel die 1804 uraufgeführte 3. Sinfonie (op. 55), von ihm genannt „Sinfonia eroica“ (heroische Sinfonie). Beethoven nutzte darin sowohl Motive aus revolutionären französischen Liedern als auch eigenes Material, unter anderem aus der Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“ und führte so verschiedene ideengeschichtliche Hintergründe zusammen. Bereits die Länge der Sinfonie, doppelt so lang wie bisherige Sinfonien, zeigte die Vielschichtigkeit des Werkes, als neuartige, idealisierende Musik die eine freiheitliche und aufgeklärte Gesellschaft heraufbeschwören will, durch Heldenmut und befeuert mit einer ausdrucksstarken und leidenschaftlichen Musik. Beethoven widmete die Sinfonie ursprünglich Napoleon I. (1769 – 1821). Beethoven war von Napoleon fasziniert und von dessen Versuch, die während der französischen Revolution erstrittenen Werte und die Republik zu erhalten sowie Bürgerrechte festzuschreiben. Mit der Krönung zum Kaiser änderte sich dies für Beethoven, er sah ihn als Tyrannen, der sich von den revolutionären Idealen verabschiedet hatte.  So wandte sich Beethoven enttäuscht von Napoleon ab und nahm die Widmung zurück. Die Erstausgabe erschien im Oktober 1806 als „Heroische Sinfonie, komponiert, um das Andenken an einen großen Mann zu feiern“. Wer genau damit gemeint war blieb undefiniert, vermutlich jedoch Prinz Louis Ferdinand (1772 – 1806), der kurz zuvor im Umfeld der Schlachten bei Jena und Auerstedt als Freiheitskämpfer gefallen war. Beethoven hatte ihm bereits sein 3. Klavierkonzert (op. 37) gewidmet.

Beethovens Verhältnis zum Adel war durchaus ambivalent. Seine politischen Äußerungen sind in dieser Hinsicht sehr widersprüchlich. Außerhalb seiner Kunst war der Komponist weniger revolutionär, schätzte jedoch seine Unabhängigkeit. Er arrangierte sich mit liberalen Zeitgenossen genauso wie mit den Herrschenden, für die er gelegentlich Huldigungsmusiken verfasste. Für ihn bildeten sie einen wichtigen Förderkreis. Seit der Übersiedelung aus Bonn nach Wien 1792 hatte Beethoven keine Anstellung. Sein freiberufliches Künstlerleben beruhte sowohl auf dem Vertrieb und Verkauf seiner Kompositionen als auch auf den finanziellen Zuwendungen seiner vornehmlich adeligen Gönner, allen voran Erzherzog Rudolph (1788 – 1831) ein Bruder von Kaiser Franz I. (1768 – 1835). Zusammen mit Fürst Kinsky (1781 – 1812) und Fürst Lobkowitz (1772 – 1816) stattete Rudolph Beethoven ab 1807 mit einem Rentenvertrag aus, der ihm eine dauerhafte finanzielle Unterstützung zusicherte. Im Entwurf zum Rentenvertrag heißt es: „Es muß das Bestreben und das Ziel jedes wahren Künstlers sein, sich eine Lage zu erwerben, in welcher er sich ganz mit der Ausarbeitung großer Werke beschäftigen kann und nicht durch andere Verpflichtungen oder ökonomische Rücksichten davon abgehalten wird.“  Auch in diesem Bereich wurde dem musikalischen Schaffen damit eine neue Bedeutung beigemessen, zum anderen verhinderte es, dass Beethoven Wien verließ um an einem anderen Ort eine lukrative Stelle anzunehmen.

Bürgerliche Konzert- und Musikkultur

Neben der noch durch den Adel geprägten Salonkultur entstand eine bürgerliche Konzert- und Musikkultur, die durch Beethoven wesentlich mitgeprägt wurde. Wichtig hierfür waren unter anderem die Akademien, das heißt Konzerte zur finanziellen Unterstützung des Komponisten, die von ihm auch selbst veranstaltet wurden. Die meisten Akademien veranstaltete Beethoven in der Zeit des Wiener Kongresses. Es war für ihn die Zeit des größten gesellschaftlichen Erfolges und höchsten Präsenz. So auch in der Akademie am 29. November 1814. Neben seiner 7. Sinfonie (op. 92) wurde die Kantate „Der glorreiche Augenblick“ (op. 136) gespielt. Diese feierte die „heilige Allianz“ der europäischen Fürsten gegen Napoleon. Bei ihrer Aufführung, befanden sich die meisten der Regenten im Publikum und an der Aufführung wirkten viele der damals bekanntesten Musiker mit. Ebenfalls aufgeführt wurde das kommerziell erfolgreichste Stück Beethovens, die Schlachtensinfonie „Wellingtons Sieg“ (op. 91). Diese schilderte als zweiteiliges Werk den Sieg der englischen Truppen unter General Wellington (1769 – 1852) über die französischen Truppen in der Schlacht bei der spanischen Stadt Vitoria im Juni 1813. Das Stück ist eine musikalisch-räumliche Umsetzung eines Schlachtengemäldes ohne Text. Sie schilderte im ersten Teil die Schlacht, unter anderem mit musikalischen Effekten wie Ratschen, im zweiten Teil den Sieg, der am Ende durch eine Adaption der englischen Hymne angezeigt wird. Solche

Stücke bildeten Vorläufer der sogenannten „Programmmusik“ die im 19. Jahrhundert populär wurde: ein außermusikalisches Thema wird musikalisch dargestellt oder durch die Musik dramatisiert. Beethoven beschäftigte sich auch in anderen Bereichen mit dieser Form, zum Beispiel hinsichtlich der Naturdarstellung. Er griff dies in seiner 6. Sinfonie (op. 68) auf und bezeichnete sie als „Pastoral-Sinfonie oder Erinnerungen an das Landleben“. Sie hat als einzige seiner Sinfonien fünf Sätze, die zudem mit konkreten Überschriften versehen wurden, die Reflexionen eines Städters zu einer Landpartie anzeigen. Der 1. Satz ist überschrieben mit „Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande“. Im 2. Satz, der „Szene am Bach“, werden Vogelstimmen hörbar: Die Flöte als Nachtigall, die Oboe als Wachtel und die Klarinette als Kuckuck.

Gesellschaftliche und musikalische Veränderungen

Die gesellschaftlichen Veränderungen zur Zeit Beethovens spiegelten sich nicht nur im aufkommenden Konzertleben wider, sondern auch in einer Emanzipation der Instrumentalmusik von der Vokalmusik, zum Beispiel der Oper. Wie im Fall der 3. Sinfonie konnte absolute – also instrumentale – Musik ebenso mitteilsam und bedeutungstragend sein wie textgestützte Musik. Ein berühmtes Beispiel, das als absolute Musik komponiert, aber gerne mit einem dramatischen, emotionalen, außermusikalischen Kontext verstanden wurde, ist die 5. Sinfonie (op. 67), mit ihrem berühmten 4-Ton-Motiv. Sie wurde von Zeitgenossen bereits als „Schicksalssinfonie“ interpretiert, da sie in Beziehung zu Beethovens zunehmendem Gehörleiden gesetzt wurde, als Kampf gegen das Schicksal der Ertaubung.

Die Musik als eigenständige Ausdrucksform weiter zu entwickeln strebte Beethoven auch im Bereich der Kammermusik an. Sehr deutlich wurde dies bei seinen Klavierkompositionen. Beethoven war ein begnadeter Pianist und beeindruckte die Zuhörer und Zuhörerinnen mit freien Improvisationen und rührte sie gar zu Tränen. Dieser weitreichende und mitreißende Gefühlsgehalt fand sich auch in seinen niedergeschriebenen Kompositionen. Wegweisend war hierfür seine Klaviersonate Nr. 8 (op. 13) von 1798, die von ihm als „Grande Sonate Pathétique“ bezeichnet wurde. Zeitgenossen berichteten von der Aufführung: „[Es spielte] ein kleiner hässlicher, schwarz und störrisch aussehender junger Mann [Beethoven]. Nie hab‘ ich so spielen gehört! [Er spielte] eigene Kompositionen, die im höchsten Grade wunderbar und großartig sind, und er bringt auf dem Klavier Schwierigkeiten und Effekte hervor, von denen wir uns nie etwas haben träumen lassen“ (Abbé Joseph Gelinek). Die Sonate zeigte ein Spektrum leidenschaftlicher Empfindungen und traf die Zuhörer bis ins Mark. Durch ihren programmatischen Titel verdeutlichte Beethoven: Eine Instrumentalsonate konnte ebenso große Dramen schildern wie eine Oper. Dieser neue Gehalt der Sonate öffnete der Musik wesentliche neue klangliche und formale Spielräume und war ein wichtiger Schritt hin zur Musik der Romantik.

Dass die Erweiterung des kompositorischen und instrumentalen Spielraumes seine Zeitgenossen nicht nur begeistern, sondern auch überfordern konnte, zeigten sowohl seine Sinfonien, aber vor allem die späten Streichquartette. Beethoven ging darin weit über die Spielmöglichkeiten der im Biedermeier beliebten Hausmusik durch Laien hinaus. Er entfaltete hingegen eine epochenübergreifende Dimension. Die „Große Fuge für Streichquartett“ (op. 133) aus den Jahren 1825/1826 ist hierfür ein wichtiges Beispiel. Beethoven warf in diesem Stück gewissermaßen einen Blick gleichzeitig in die Vergangenheit – Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) als Vorbild für die Komposition der Fuge – und in die Zukunft, indem er für sein zeitgenössisches Publikum eine sehr ungewohnte Hörerfahrung schuf. Für seine Zeitgenossen war das Stück in weiten Teilen noch unverständlich, spätere Generation sahen es als bahnbrechend modern.

Beethoven war bereits zu Lebzeiten eine bekannte Persönlichkeit bei dessen Beerdigung tausende Menschen dem Sarg folgten. Seine neu geöffneten Wege wurden durch seine Nachfolger wie Robert Schumann (1810 – 1856) oder Richard Wagner aufgegriffen und ausgedeutet.

Die Intensität seiner Werke lud folgende Genrationen dazu ein, Bedeutungen auch außerhalb der eigentlichen musikalischen Substanz zu suchen und zu nutzen. Bereits im 19. Jahrhundert wurde er vereinnahmt um die Großartigkeit der deutschen Kultur zu belegen, was sich bis in den Nationalsozialismus fortsetzte, in dem Beethoven als Beispiel für die Überlegenheit der deutschen Musik fungieren sollte.

Trotz solcher Missbräuche hat sich Beethovens Verbundenheit mit der Aufklärung und der humanistischen Werte der Revolution bis in unsere Zeit erhalten. Aufgrund eines nationenübergreifenden Idealismus‘ dient seine „Ode an die Freude“ aus der 9. Sinfonie (op. 125) seit 1985 als offizielle Europahymne als Sinnbild einer Wertegemeinschaft für Frieden und Freiheit.

Jost Lehne
1. März 2022

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