> Vormärz und Revolution > Wiener Kongress

Die Deutsche Bundesakte von 1815

Als Ergebnis diskussionsreicher Verhandlungen auf dem Wiener Kongress erfolgte am 10. Juni 1815 die formelle Unterzeichnung der auf den 8. Juni datierten Deutschen Bundesakte. Sie wurde Bestandteil der Wiener Kongressakte vom 9. Juni 1815 und damit international sanktioniert. In 20 Artikeln legte die Bundesakte die Grundzüge der neuen Organisation Deutschlands und den Verfassungsrahmen des neu gegründeten Deutschen Bundes fest. Er war kein wie von vielen Deutschen erhoffter Bundesstaat, sondern ein Staatenbund der souveränen deutschen Fürsten mit bundesstaatlichen Elementen. Sein Zweck diente laut Artikel 2 der „Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten“.

Einziges Bundesorgan war die aus weisungsgebundenen Gesandten der Mitgliedsstaaten bestehende Bundesversammlung – später Bundestag genannt – in Frankfurt am Main unter dem Vorsitz Österreichs. Ein „Engerer Rat“, in der die elf größten Staaten je eine Stimme und die restlichen Mittel- und Kleinstaaten insgesamt sechs weitere Kuriatstimmen besaßen, führte die gewöhnlichen Geschäfte der Bundesversammlung und beschloss mit absoluter Mehrheit. Bei einer Änderung von Grundrechten des Bundes und bei Beschlüssen, welche die Bundesakte selbst betrafen, sollte die Versammlung ein Plenum bilden, wobei mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Größe der einzelnen Bundesstaaten eine unterschiedliche Stimmengewichtung stattfinden sollte.

Der Deutsche Bund besaß weder ein Staatsoberhaupt noch eine Bundesregierung oder eine Volksvertretung. Ebenso wenig verfügte er über ein von den meisten Staaten in Wien gefordertes oberstes Bundesgericht, das bei Streitfällen der Bundesstaaten untereinander und gegen den Bund sowie bei Klagen der Landstände wegen Rechtsverletzungen ihrer Landesregierungen entscheiden konnte. Stattdessen wurde in Artikel 11 die Verbindlichkeit der Bundesglieder aufgenommen, sich einander unter keinerlei Vorwand zu bekriegen oder ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung vorzubringen.

Eine gewisse innere Homogenität des Bundes sollte vor allem durch die in Artikel 13 der Bundesakte verankerte Verpflichtung zur Einführung einer landständischen Verfassung in jedem Mitgliedsstaat gewährleistet werden. Die etwas lapidare Formulierung des Artikels „In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden“ ließ zahlreiche Deutungen offen und erfüllte nicht den nachdrücklichen Wunsch der mindermächtigen Staaten nach einer näheren Ausführung. Artikel 13 enthielt weder Bestimmungen über das Minimum der den Landständen zu gewährenden Rechte noch eine Frist zu seiner Umsetzung. Vor allem die Königreiche Bayern und Württemberg hatten gegen Eingriffe in die inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der Mitgliedsstaaten opponiert. Auch Preußen hatte zunehmend sein Interesse an einer Fixierung landständischer Minimalrechte verloren und hielt sich wie Österreich in den Konferenzen weitgehend aus den Diskussionen über diesen Punkt heraus.

Artikel 16 bestätigte die Gleichstellung der drei Konfessionen in politischer Hinsicht, überließ aber den Einzelstaaten die Gewährung von Bürgerrechten an Juden. Gegen den von Österreich, Preußen, Hannover, Kurhessen, Nassau, Luxemburg, Sachsen-Gotha sowie von Waldeck und Schaumburg-Lippe unterstützten Vorschlag, Juden die Bürgerrechte einheitlich durch die Bundesakte einzuräumen, hatte es bei der Mehrheit der Bevollmächtigten in Wien Widerstand gegeben. Nicht zuletzt legten insbesondere die Klein- und Mittelstaat große Hoffnung in Artikel 19, der Beratungen und Entscheidungen in der Bundesversammlung über bundeseinheitliche Zollregelungen und einen freien Handelsverkehr in Aussicht stellte. Zu einer bundeseinheitlichen Regelung in dieser Frage kam es aber nie.

Arnulf Scriba
10. Oktober 2014

lo