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Schwerindustrie

Die Schwerindustrie entwickelte sich aufgrund der hohen Kohle- und Stahlnachfrage insbesondere für den Eisenbahnbau zu einem Leitsektor des industriellen Aufschwungs in Deutschland. Anfang der 1850er Jahre begann das rasante Wachstum der Montanwirtschaft. Durch seine reichen Steinkohlevorkommen und die günstige Verkehrslage wuchs das Ruhrgebiet zum Zentrum der deutschen Schwerindustrie und zu einem der größten Industriereviere Europas. Um 1850 wurden im Ruhrgebiet jährlich rund 12.000 Tonnen Roheisen erschmolzen, 1870 rund 430.000 Tonnen. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Hochöfen von 15 auf 59 zu, die Zahl der dort Beschäftigten stieg von 1.500 auf rund 5.000.

Von den 1850 in Preußen geförderten rund 4,5 Millionen Tonnen Kohle entfielen 44 Prozent auf das Ruhrgebiet mit seinen 13.000 Bergleuten. Rund 20 Jahre später förderten über 50.000 Bergarbeiter im Ruhrgebiet etwa die Hälfte der preußischen Kohle von knapp 23 Millionen Tonnen. Die Steinkohleförderung im Gebiet des 1871 gegründeten Deutschen Reiches betrug 1869 rund 26 Millionen Tonnen; die Stahlerzeugung stieg von 1850 bis 1869 von 196.000 auf rund 1,1 Millionen Tonnen.

Die Firma von Alfred Krupp in Essen profitierte am meisten von der wachsenden Stahlnachfrage. Sie beschäftigte 1850 etwa 250 Arbeiter, zehn Jahre später 2.000, 1870 über 7.000 und 1873 fast 12.000 Arbeiter. Auch in der Maschinenbauindustrie nahm die Zahl der Fabriken und der Beschäftigten zu: Während von 1810 bis 1850 in Deutschland 171 Maschinenfabriken gegründet wurden, waren es in den folgenden 20 Jahren 397 Fabriken. Das 1837 von August Borsig (1804-1854) in Berlin gegründete Werk fertigte im Jahr seines Todes die 500. Lokomotive. Bereits 1858 feierte das sich zum größten Lokomotivhersteller Europas entwickelnde Unternehmen mit seinen rund 2.800 Beschäftigten die Fertigstellung der 1.000 Lokomotive.

Die expandierende deutsche Schwerindustrie drängte die ausländische, vornehmlich britische und französische Konkurrenz zunehmend vom heimischen Markt und exportierte selbst verstärkt ins europäische Ausland. Am Vorabend der Reichsgründung 1871 hatte Deutschland seine industrielle Rückständigkeit gegenüber den westeuropäischen Ländern überwunden.

Johannes Leicht
23. Juni 2010

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