Chronik 1913

JANUAR
  • 2. 1.
    Die Botschafter der sechs europäischen Großmächte des Dreibunds und der Entente verständigen sich in London darüber, die Souveränität Albaniens anzuerkennen.
  • 4. 1.
    Tod des preußischen Generalfeldmarschalls Alfred von Schlieffen in Berlin. Er entwickelte den Aufmarschplan für das deutsche Heer, der im Ersten Weltkrieg zur Anwendung kommt.
  • 6. 1.
    Die Londoner Verhandlungen zur Beendigung des Balkankriegs werden abgebrochen, da es zu keiner Einigung über die Zugehörigkeit von Adrianopel (Edirne) kommt.
  • 17. 1.
    Zum neuen Staatspräsidenten Frankreichs wird der bisherige Ministerpräsident Raymond Poincaré gewählt.
  • 22. 1.
    Deutsche Polizei löst in Posen eine Feier anlässlich des 50. Jahrestags des polnischen Aufstands gegen die russische Herrschaft im Jahr 1863 auf.
  • 23. 1.
    Im Osmanischen Reich kommt es unter der Führung des Jungtürken Enwer Pascha erneut zu einem Staatsstreich. Anlass für den Putsch ist die Haltung der konservativen Regierung bei den Friedensverhandlungen mit dem Balkanbund.
  • Der Entwurf eines neuen Wohnraumgesetzes für Preußen wird im "Reichsanzeiger" veröffentlicht. Es sieht vor allem den Bau von preiswerten Kleinwohnungen für Arbeiter vor.
  • 30. 1.
    Die Staaten des Balkanbunds kündigen den am 3. Dezember 1912 geschlossenen Waffenstillstand mit dem Osmanischen Reich.  
FEBRUAR
  • 2. 2.
    Der größte Bahnhof der Welt wird in New York eingeweiht. Das Areal der Grand Central Station umfasst 32 Hektar, es können 1.043 Waggons darin gleichzeitig unterkommen.
  • 3. 2.
    Konstituierende Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Berlin.
  • 12. 2.
    Die Reichstagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) beantragt die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle deutschen Länder. Der Antrag wird abgelehnt.
  • 19. 2.
    Britische Suffragetten sprengen das in Bau befindliche Landhaus von Schatzkanzler David Lloyd George, um ihrer Forderung nach einem Wahlrecht für Frauen Nachdruck zu verleihen.
  • Der Reichstag bewilligt die vollständige Aufhebung des Jesuitengesetzes, das bisher den Jesuiten Aufenthalt und Tätigkeit in Deutschland untersagt hatte.
  • 22. 2.
    Eine Neuregelung der Handwerkerausbildung ermöglicht auch weiblichen Lehrlingen die Zulassung zur Meisterprüfung.  
MÄRZ
  • 4. 3.
    Woodrow Wilson tritt sein Amt als 28. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika an.
  • 5. 3.
    Beim Zusammenstoß eines Torpedoboots mit einem schweren Kreuzer bei einem Flottenmanöver südlich von Helgoland kommen 55 deutsche Matrosen ums Leben.
  • 15. 3.
    Die Deutsch-Konservativen erklären auf ihrem Parteitag in Berlin die Bekämpfung der Sozialdemokratie zum vorrangigen Ziel der Partei.
  • 18. 3.
    Der griechische König Georg I. (1845-1913) fällt in Saloniki einem Attentat zum Opfer, ihm folgt sein ältester Sohn Konstantin (1868-1923) auf dem Thron.
  • 21. 3.
    Neuer französischer Ministerpräsident wird Louis Barthou (1862-1934).
  • 28. 3.
    Das britische Unterhaus verabschiedet den Flottenetat für das Jahr 1913/14, der eine Aufstockung der Personalstärke um 8.500 Mann und den Bau von fünf Schlachtschiffen, acht Kreuzern und 16 Torpedobooten vorsieht.  
APRIL
  • 3. 4.
    Ein für den Militäreinsatz gebautes deutsches Luftschiff wird bei einem Probeflug vom Wind abgetrieben und muss auf dem französischen Truppenübungsplatz Lunéville notlanden. Die Regierung in Paris ordnet eine amtliche Untersuchung an, findet jedoch keine Anhaltspunkte für Spionage.
  • 3. 4.
    Die britische Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst (1858-1928) wird wegen Anstiftung des Anschlags auf das Landhaus von Schatzkanzler Lloyd George zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
  • 9. 4.
    In Mariendorf bei Berlin wird eine neue Trabrennbahn eröffnet.
  • 14. 4.
    In Belgien beginnt ein Generalstreik für allgemeines und gleiches Wahlrecht, an dem sich rund 400.000 Arbeiter beteiligen. Die Regierung setzt eine parlamentarische Kommission zur Ausarbeitung einer Wahlrechtsreform ein.
  • 20. 4.
    Bulgarische Freischärler überfallen bei Kamanowo einen serbischen Truppentransport und töten 80 Soldaten.
  • 23. 4.
    Der preußische Landtag in Berlin bewilligt das Gesetz zur Stärkung des Deutschtums in den Provinzen Posen und Westpreußen. Für den Erwerb polnischer Güter stehen 175 Millionen Mark zur Verfügung.
  • 26. 4.
    In der belgischen Stadt Gent wird die 28. Weltausstellung eröffnet. Ihr Prunkstück ist ein 3.000 Quadratmeter großer Blumenpalast. Deutschland zeigt vor allem Produkte aus den Bereichen Maschinenbau, Haushalts- und Bürotechnik.  
MAI
  • 6. 5.
    Das britische Unterhaus lehnt eine Gesetzesvorlage zur Einführung des Frauenwahlrechts mit 266 gegen 219 Stimmen ab. Befürworter und Gegner kommen aus allen Parteien.
  • Auf dem Kongress des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Lausanne stellt Carl Diem die Planungen für die VI. Olympischen Spiele 1916 in Berlin vor.
  • 20. 5.
    Der britische König Georg V. (1865-1936) und der russische Zar Nikolaus II. weilen als Gäste einer Hochzeit am deutschen Kaiserhof in Berlin. Es ist das letzte große Treffen der europäischen Monarchen.
  • 25. 5.
    Mit der erzwungenen Selbsttötung von Oberst Alfred Redl (1864-1913) endet in Prag die spektakulärste Spionageaffäre im Vorfeld des Ersten Weltkriegs. Der Generalstabschef des Prager Korps der österreich-ungarischen Armee hatte seit 1901 geheime militärische Unterlagen an Russland, Frankreich und Italien verkauft.
  • 29. 5.
    Uraufführung des Ballets "Das Frühlingsoper" von Igor Strawinsky in Paris.
  • 30. 5.
    In London unterzeichnen Vertreter der Staaten des Balkanbunds und des Osmanischen Reichs einen Präliminarfrieden zur Beendigung des Kriegs von 1912. Das Osmanische Reich muss die Loslösung Mazedoniens und den Verlust fast des gesamten europäischen Territoriums anerkennen. Der Friedensschluss löst neue Konflikte zwischen Serbien und Bulgarien aus.  
JUNI
  • 3. 6.
    Bei den Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus behaupten die Konservativen trotz geringer Verluste ihre Mehrheit.
  • 8. 6.
    Im Berliner Grunewald wird das für die Olympischen Spiele 1916 gebaute Deutsche Stadion mit einer Massenveranstaltung im Beisein von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. Es bietet 30.000 Zuschauern Platz.
  • 29. 6.
    Mit Angriffen der bulgarischen Armee auf zwei serbische Städte beginnt der Zweite Balkankrieg. Am 1. Juli erklären Serbien und Griechenland dem ehemaligen Verbündeten Bulgarien den Krieg, in den das Osmanische Reich und Rumänien an der Seite Serbiens eingreifen.
  • 30. 6.
    Der Reichstag verabschiedet in dritter Lesung die von der Regierung eingebrachte Wehrvorlage. Sie sieht eine Erhöhung der Friedenspräsenzstärke des Heeres um 117.267 auf 661.478 Mann bis zum 31. Oktober 1915 vor.  
JULI
  • 1. 7.
    Die Mitgliederzahl der SPD hat sich im Verlauf eines Jahres um 12.748 auf 988.820 erhöht.
  • In der Südafrikanischen Republik bricht in den Gold- und Diamantenminen bei Johannesburg ein Bergarbeiterstreik aus, an dem sich mehr als 20.000 Arbeiter beteiligen. Bei den Kämpfen zwischen Streikenden und Militär kommen rund 100 Menschen ums Leben.
  • 12. 7.
    An der Möhne im Sauerland wird die größte deutsche Talsperre eingeweiht. Dem Bau der Möhnetalsperre, die vor allem die Industrieanlagen des Ruhrgebiets mit Wasser versorgen soll, fielen mehrere Ortschaften zum Opfer. Die Staumauer ist 638 Meter lang und 40,3 Meter hoch.  
AUGUST
  • 7. 8.
    Der französische Senat beschließt die bereits von der Abgeordnetenkammer gebilligte Verlängerung der allgemeinen Wehrpflicht auf drei Jahre.
  • 10. 8.
    Mit dem "Frieden von Bukarest" geht der Zweite Balkankrieg zu Ende. Bulgarien muss erhebliche Gebiete an Serbien und Griechenland abtreten. Serbien erlangt in den Balkankriegen insgesamt einen Gebietszuwachs von 81 Prozent des bisherigen Territoriums und einen Bevölkerungszuwachs von 1,5 Millionen. Der Großteil der Grenzverschiebungen geht zu Lasten des Osmanischen Reichs.
  • 13. 8.
    Tod des Begründerts der deutschen Sozialdemokratie, August Bebel in Passugg (Schweiz).
  • 16. 8.
    In den Ford-Automobilwerken in Detroit wird erstmals ein Fließband zur Montage von Autos eingesetzt. Im Geschäftsjahr 1913/14 produziert die Ford Motor Company 264.972 Automobile.
  • 22. 8.
    Delegierte des Verbands sozialdemokratischer Wahlvereine Groß-Berlins fordern auf einer Veranstaltung zum "Gebärstreik" auf. Damit sollen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und dem Militär weniger Arbeiter und Soldaten zur Verfügung stehen. Clara Zetkin und Rosa Luxemburg sprechen sich gegen den Vorschlag ihrer Parteigenossen aus.  
SEPTEMBER
  • 1. 9.
    Chinesische Regierungstruppen erobern mit der Stadt Nanking die letzte Bastion der rebellierenden Anhänger der Kuomintang. Der Führer der Nationalen Volkspartei Sun Yat-sen (1866-1925) befindet sich seit Mitte August im japanischen Exil.
  • 14. 9.
    In Jena beginnt der Parteitag der SPD. Nach dem Tod von August Bebel werden Hugo Haase und Friedrich Ebert zu Parteivorsitzenden gewählt. Ein Antrag von Rosa Luxemburg über den Einsatz des Massenstreiks als politische Waffe wird mehrheitlich abgelehnt.
  • 22. 9.
    Die deutsche Reichsregierung bewilligt 300.000 Mark für die Vorbereitung deutscher Sportler auf die Olympischen Spiele, die 1916 in Berlin stattfinden sollen.
  • 29. 9.
    Bulgarien und das Osmanische Reich unterzeichnen einen separaten Friedensvertrag, mit dem die beiderseitigen Gebietsstreitigkeiten beigelegt werden.  
OKTOBER
  • 10. 10.
    Mit der Sprengung eines Staudamms wird beim Bau des Panamakanals der erste Durchbruch zwischen dem Atlantischen und dem Pazifischen Ozean geschaffen. US-Präsident Wilson löste die Sprengung von seinem Amtssitz in Washington mittels eines 6.500 km langen Kabels aus.
  • 16. 10.
    Uraufführung von George Bernard Shaws (1856-1950) Komödie "Pygmalion" in Wien.
  • 18. 10.
    Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig wird im Beisein von Wilhelm II. und weiteren deutschen Fürsten mit einem Festakt eingeweiht. Es erinnert an die Entscheidungsschlacht von 1813 im antinapoleonischen Befreiungskampf. Das Monument ist 91 m hoch. An der Stirnseite befindet sich ein 60 m breites und 25 m hohes Relief mit einer Darstellung der Völkerschlacht.
  • 18. 10.
    Österreich-Ungarn fordert Serbien ultimativ auf, binnen acht Tagen das besetzte Gebiet in Nordalbanien zu verlassen. Die Regierung in Belgrad kommt der Forderung auf Druck des Bündnispartners Russland nach.
  • 25. 10.
    In Köln wird das Museum für Ostasiatische Kunst eingeweiht. Das von der Stadt Köln errichtete Haus beherbergt die von dem Ostasienforscher Adolf Fischer gestiftete Sammlung.  
NOVEMBER
  • 5. 11.
    Der belgische König Albert I. (1875-1934) trifft zu einem Besuch in Deutschland ein. Kaiser Wilhelm II. und Generalstabschef Helmuth von Moltke versuchen, Belgien für den Fall eines Krieges mit Frankreich zu einem Engagement für das Deutsche Reich zu bewegen. Belgien besteht jedoch auf seiner Neutralität.
  • Der bayerische Prinzregent Ludwig (1845-1921), der anstelle des physisch kranken Königs Otto (1848-1916) regiert, erklärt sich nach Zustimmung der Abgeordnetenkammer und der Kammer der Reichsräte als Ludwig III. zum König von Bayern.
  • 6. 11.
    In der elsässischen Stadt Zabern kommt es zu ersten Protestaktionen gegen Übergriffe von Offizieren des dort stationierten Infanterieregiments auf die einheimische Zivilbevölkerung. Weitere Provokationen des Militärs und zunehmender Widerstand der Einheimischen rücken die "Zabern-Affäre" in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und lösen landesweite Empörung aus.
  • Unter der Führung von Morandas Karamchand "Mahatma" Gandhi (1869-1948) überqueren rund 2.200 indisch-stämmige Einwanderer demonstrativ die für sie geschlossene Grenze zwischen den Provinzen Natal und Transvaal, um gegen die Politik der Rassentrennung in der Südafrikanischen Union zu demonstrieren.
  • 8. 11.
    Im Münchner Residenztheater findet die Uraufführung des Dramas "Woyzeck" von Georg Büchner (1813-1837) rund 80 Jahre nach seinem Entstehen statt.
  • 24. 11.
    Das Berliner Verlagshaus Ullstein & Co. kauft für fünfeinhalb Millionen Mark die bisher in Familienbesitz befindliche "Vossische Zeitung".
  • 30. 11.
    Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg und der preußische Kriegsminister Erich von Falkenhayn treffen zu Beratungen über die Beilegung der "Zabern-Affäre" in Donaueschingen ein, wo sich auch Wilhelm II. aufhält.  
DEZEMBER
  • 2. 12.
    Die Regierungen der europäischen Großmächte einigen sich darauf, den deutschen Prinzen Wilhelm zu Wied (1876-1945) zum regierenden Fürsten des neugeschaffenen Staates Albanien zu ernennen.
  • 5. 12.
    Wilhelm II. ordnet die vorübergehende Verlegung der in Zabern stationierten Bataillone an.
  • 8. 12.
    Frankreich präsentiert eine neue Regierung: Ministerpräsident wird Gaston Doumergue (1863-1937), der zugleich das Amt des Außenministers übernimmt.
  • 10. 12.
    Der indische Dichter Rabindranath Tagore (1861-1941) erhält den Nobelpreis für Literatur.
  • 12. 12.
    Das 1911 gestohlene Gemälde "Mona Lisa" wird in Florenz von der italienischen Polizei entdeckt und sichergestellt.
  • 14. 12.
    Eine deutsche Militärmission trifft in Konstantinopel ein und beginnt vertragsgemäß mit einer Reorganisation der Armee des Osmanischen Reichs. Durch das deutsche Engagement am Bosporus verschärfen sich die Spannungen zu den Entente-Staaten.  
AUSSERDEM:
  • abriele D'Annunzio: Pisanelle oder Der duftende Tod (Lyrisch-dramatisches Werk)
  • Alfred Döblin: Die Ermordung einer Butterblume (Erzählungen)
  • Sigmund Freud: Totem und Tabu (Psychoanalytische Abhandlung)
  • Maxim Gorki: Meine Kindheit (Roman)
  • Knut Hamsun (1859-1952): Kinder ihrer Zeit (Roman)
  • Bernhard Kellermann (1879-1951): Der Tunnel (Roman)
  • Else Lasker-Schüer: Hebräische Balladen (Gedichtsammlung)
  • D. H. Lawrence (1885-1930): Söhne und Liebhaber (Roman)
  • Uraufführung der bereits 1903 entstandenen "Gurrelieder" von Arnold Schönberg in Berlin.
Dorlis Blume/Andreas Michaelis
24. Juni 2015

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