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Vertrag von Rapallo

Anlässlich einer 1922 in Genua stattfindenden internationalen Wirtschaftskonferenz kam es in Rapallo, unweit des Konferenzorts Genua, zu Sonderverhandlungen der deutschen Regierung mit der sowjetrussischen Delegation. Die Verhandlungen führten am 16. April 1922 zu einem für die Westmächte überraschenden Vertragsabschluss des Deutschen Reichs mit Sowjetrussland. Mit dem von Reichskanzler Joseph Wirth und Außenminister Walther Rathenau unterzeichneten Abkommen nahm Deutschland seine 1918 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu Sowjetrussland wieder auf. Beide Seiten verzichteten gegenseitig auf Ersatz der Kriegskosten und der Kriegsschäden. Damit wurde Artikel 116 des Versailler Vertrags hinfällig, der Russland Aussicht auf deutsche Reparationen eröffnet hatte. Im Gegenzug verzichtete Deutschland auf alle Ansprüche für das durch russische Verstaatlichungsmaßnahmen betroffene deutsche Eigentum.

Der Vertrag bot der deutschen Seite die Möglichkeit, die Beziehungen zu Sowjetrussland zu verbessern. Beide Staaten wollten damit ihre internationale Isolierung durchbrechen. Bei den Westmächten löste er jedoch die Furcht vor einer allgemeinen Erschütterung der Versailler Nachkriegsordnung aus, insbesondere die Existenz Polens sahen sie in Frage gestellt. Tatsächlich befürwortete vor allem die Führung der Reichswehr unter General Hans von Seeckt eine gemeinsame militärische Aktion mit Sowjetrussland, um Polen zu liquidieren und die deutsche Ostgrenze von 1914 wiederherzustellen. Entgegen den Befürchtungen der Alliierten und den Hoffnungen der politischen Rechten in Deutschland begründete der Vertrag jedoch kein gegen die Westmächte und Polen gerichtetes deutsch-russisches Bündnis.

Arnulf Scriba
2. Mai 2015

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