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Das Attentat von Sarajewo

Das lokale Ereignis, das die "Bosnische Post" am 28. Juni 1914 vermeldete, sollte weltweite Folgen haben: In Extraausgaben berichtete die 1884 gegründete größte deutschsprachige Tageszeitung in Sarajewo von den Attentaten auf das österreichisch-ungarische Thronfolgerpaar. Die Anschläge lösten eine internationale Krise aus, die binnen sechs Wochen zum Krieg führte. Der Erzherzog Franz Ferdinand besuchte am 28. Juni 1914, einem Sonntag, mit seiner Ehefrau Sophie Sarajewo, um ein Manöver der österreichisch-ungarischen Streitkräfte zu inspizieren. Ab 1878 verwaltete die K.u.K-Monarchie Bosnien und die Herzegowina. Die formale Annexion der Provinzen 1908 verschärfte die Konflikte mit dem benachbarten Königreich Serbien, das ebenfalls Anspruch auf diese Gebiete erhob, in denen eine starke serbische Minderheit lebte. Der Besuch des österreichisch-ungarischen Thronfolgers in der Provinzhauptstadt war daher auch eine politische Machtdemonstration.

Obwohl es in der Region bereits mehrfach Anschläge auf Vertreter der Verwaltung gegeben hatte, veröffentlichte die Presse den Termin und das Protokoll des Besuchs bereits vorab. Die Attentäter, eine Gruppe junger Männer, die für die Vereinigung aller Südslawen in einem Staat unter serbischer Führung kämpften, konnten ihr Vorhaben daher genau planen. Mit ihrer Tat wollten sie ein Zeichen gegen die österreichisch-ungarische Besatzung setzen.  

Der erste Attentatsversuch schlug jedoch fehl. Die Bombe, die einer der Verschwörer auf den Autokonvoi des Erzherzogs warf, verletzte mehrere Passanten und Begleiter von Franz Ferdinand, unter anderem dessen Adjutanten Oberstleutnant Erik von Merizzi. Unter der Überschrift „Das erste Attentat“ schilderte der ungenannte Berichterstatter für die Bosnische Post den Vorfall. Nach einer kurzen Unterbrechung setzte das unverletzt gebliebene Thronfolgerpaar sein Besuchsprogramm fort, was den Verschwörern einen zweiten Anschlag ermöglichte. Aus der Menge heraus feuerte Gavrilo Princip, ein neunzehnjähriger bosnischer Serbe, mit einem Revolver auf die offene Limousine, in der Franz Ferdinand und dessen Frau durch die Stadt fuhren. Beide starben kurz darauf an ihren schweren Verletzungen.  

Die "Bosnische Post" gehörte zu den ersten Zeitungen, die den Tod des Thronfolgerpaares vermeldeten. Bereits wenige Stunden nach dem Attentat, das sich kurz nach 11 Uhr ereignete, beschrieb die 2. Extra-Ausgabe die dramatischen Ereignisse, von denen keine Fotos überliefert sind. Allerdings enthält der Bericht einige Fehler: So zündete Princip, der als „ein gewisser Fric auf Grahovo“ bezeichnet wird, keine Bombe. Eine noch detailliertere Schilderung der Ereignisse und erste Reaktionen darauf enthält die 3. Extra-Ausgabe der Bosnischen Post, die in den Abendstunden des 28. Juni erschien. Die Morde empörten die Öffentlichkeit. Nur mühsam konnte die aufgebrachte Menge am Tatort davon abgehalten werden, Princip zu lynchen. In Sarajewo kam es noch am selben Tag zu Ausschreitungen und Übergriffen gegen Serben. Die rasch eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der serbische Geheimdienst die Verschwörer mit Waffen, Geld und Informationen unterstützt hatte. Politiker und Militärs aus Österreich-Ungarn wollten die Situation nutzen, um Serbien politisch zu demütigen, das in Folge der Balkankriege seine Machtstellung in der Region ausgebaut hatte. Ausdrückliche Unterstützung für ein militärisches Vorgehen erhielt die K.u.K-Monarchie vom Deutschen Reich, das damit die als Julikrise bezeichneten Spannungen der europäischen Großmächte nach dem Attentat verschärfte.  

Princip und vierundzwanzig Mitverschwörer mussten sich ab Oktober 1914 vor einem österreichisch-ungarischen Gericht verantworten. Es verurteilte ihn und eine Reihe weiterer Angeklagte wegen Hochverrats und Mordes zu zwanzig Jahren Haft. In der Festung Theresienstadt starb Princip im April 1918 in Folge der Haftbedingungen. Jugoslawien, das nach dem Ersten Weltkrieg als Staat entstand, ehrte ihn für seine Tat mit Denkmälern. Für viele Serben gilt Princip noch heute als Freiheitskämpfer und Nationalheld.

Andreas Mix
1. September 2014

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