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Der Durchbruch zur Piave 1917

Nach elf verlustreichen Schlachten am Isonzo seit Juni 1915 stand die österreich-ungarische Italienfront im Herbst 1917 kurz vor dem Zusammenbruch. Der habsburgische Kaiser Karl I. bat das Deutsche Reich um militärische Unterstützung. Wegen der vergleichsweise ruhigen Lage an der Westfront und der Oktoberrevolution in Rußland konnte die deutsche Oberste Heeresleitung (OHL) insgesamt sieben Divisionen an die Isonzofront schicken. Am 24. Oktober 1917 begann bei Tolmein (heute: Tolmin, Slowenien) der Angriff der hier nun zahlenmäßig überlegenen Mittelmächte. Auf das Trommelfeuer aus über 3.300 Geschützen konnte die überraschte italienische Artillerie kaum reagieren. Nach acht Stunden begann der Sturmangriff der Mittelmächte. Bis zum Abend konnten sie einen Vorstoß von 27 Kilometern Tiefe erzielen und etwa 15.000 gegnerische Soldaten gefangennehmen. Das weitere Vorrücken führte in den nächsten Tagen zum völligen Zusammenbruch der italienischen Front, es kam zu massenhaften Gefangennahmen und fluchtartigen Desertionen.

Auch die neu herangeführten Reservetruppen der Italiener gerieten beim schnellen Vormarsch der Mittelmächte in Auflösung. Am 28. Oktober eroberten deutsche und habsburgische Truppen das strategisch wichtige Görz (heute: Gorizia, Italien) zurück, zwei Tage später wurde die italienische Stadt Udine genommen. Erst an der Piave gelang es den Italienern mit Hilfe britischer und französischer Hilfstruppen, aus der fliehenden Armee wieder eine geordnete Front aufzubauen und so einen Durchmarsch der Mittelmächte in die Poebene zu verhindern.

Innerhalb von zwei Wochen rückten die Streitkräfte der Mittelmächte etwa 150 Kilometer weit auf das italienische Staatsgebiet vor. Dabei zerschlugen sie zwei Armeen; fast 300.000 italienische Soldaten gerieten in Gefangenschaft, nahezu ebenso viele flüchteten. Der Zerfall der gesamten Armee und damit das Ausscheiden Italiens aus der alliierten Koalition konnte erst durch die Unterstützung französischer und britischer Truppen gestoppt werden. Am Fluss Piave kam der Vormarsch der Mittelmächte Anfang November 1917 zum Stillstand.

Im Angesicht der drohenden Besetzung weiterer Landesteile mobilisierte Italien noch einmal alle Kräfte für den Krieg. Mit den Worten „Für die Befreiung“ warb das Plakat für die fünfte italienische Kriegsanleihe, die Anfang 1918 herausgegeben wurde. Ein letztes Mal sollte die Bevölkerung Anleihen zeichnen und damit der Regierung Geld für die Kriegsführung bereitstellen. Die dramatische Bildsprache verdeutlicht die Verteidigung des Vaterslands: Ein Soldat mit dem Hut der italienischen Gebirgstruppen hebt entschlossen eine Axt, um den gierigen Griff über den Piave abzuwehren. Dank alliierter Unterstützung gelang es den neu aufgestellten italienischen Truppen im Oktober 1918, die geschwächten und bereits im Zerfall begriffenen österreichisch-ungarischen Verbände zurückzudrängen und zur Kapitulation zu zwingen. Italien gehörte damit zu den Siegerstaaten des Ersten Weltkriegs. Doch weil die Alliierten nicht alle ihrer territorialen Versprechen einlösten, galt der Sieg für viele Italiener als „verstümmelt“.

Andreas Mix
1. September 2014

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