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Tod und Verwundung

Alle Armeen verlangten von ihren Offizieren und Mannschaften täglich den Einsatz ihres Lebens. Wie Geschütze und Munition wurden Soldaten als einzusetzendes Material betrachtet. Der Tod als ständiger Begleiter der Frontsoldaten wurde zum "Heldentod für das Vaterland" verklärt. Im Ersten Weltkrieg starben mehr als neun Millionen Soldaten, darunter über zwei Millionen aus Deutschland, fast 1,5 Millionen aus Österreich-Ungarn, über 1,8 Millionen aus Russland, annähernd 460.000 aus Italien. Frankreich hatte über 1,3 Millionen, Großbritannien rund 750.000 militärische Todesfälle zu beklagen. Hinzu kamen etwa 78.000 Tote aus den französischen und 180.000 Tote aus den britischen Kolonien. Die USA verloren nach ihrem Kriegseintritt im April 1917 rund 117.000 Mann in Europa.

Unterstände sollten gegen Beschuss und feindliche Angriffe schützen. Für die Angreifer war ein Sturm auf das gegnerische Befestigungsbollwerk weit verlustreicher als für die Verteidiger. Reihenweise starben sie im Abwehrfeuer der Maschinengewehre. Durch Artilleriefeuer starb rund die Hälfte aller Gefallenen im Ersten Weltkrieg.

Jede Kampfhandlung spiegelte sich in täglichen Verlustlisten wider. Zehntausende Frontsoldaten im Niemandsland zwischen den feindlichen Linien waren namenlose Tote, in den Statistiken galten sie als "vermisst". Ihre überlebenden Kameraden waren den psychischen und physischen Belastungen des Kriegs häufig nicht gewachsen. Viele verloren den Verstand, andere schreckten vor Selbstverstümmelung nicht zurück, um dem Tod oder schweren Verwundungen zu entgehen. Kopfverletzungen waren infolge des unzureichenden Schutzes häufig und von besonderer Schwere. Die Waffenwirkung führte zu bis zur Unkenntlichkeit entstellten Gesichtern.

Um die medizinische Versorgung der verletzten Soldaten in frontnahen provisorischen Lazaretten zu gewährleisten, war ein schneller Abtransport hinter die Frontlinie nötig. Er oblag den Krankenträgern, deren Aufgabe zu den gefährlichsten im Heer gehörte. Von den Feldlazaretten aus erfolgte der Weitertransport der Verwundeten, deren häufigen Wundinfektionen neben den eigentlichen Verletzungen zu den gravierendsten Problemen zählten. Einer möglichst schnellen antiseptischen Wundbehandlung vor Ort dienten die individuellen Verbandspäckchen, die jeder Soldat bei sich trug. Diese breite Versorgung mit Erste-Hilfe-Material des einzelnen Soldaten gab es erstmals im Ersten Weltkrieg. In Feldlazaretten mangelte es häufig an Verbandszeug und Medikamenten. Morphium-Knappheit führte oftmals dazu, dass die Lazarette vom Stöhnen der Schwerverwundeten erfüllt waren.

In deutschen Lazaretten waren neben den Ritterorden nur die Vereine des Roten Kreuzes zur freiwilligen Krankenpflege bei der Armee zugelassen. Bei Kriegsbeginn 1914 verfügte das Deutsche Rote Kreuz über 5.000 ausgebildete Schwestern, 1.000 Hilfsschwestern und eine unbestimmte Zahl von Helferinnen bei den Frauenvereinen. Da die Zahl der verfügbaren Schwestern im Krieg nicht ausreichte, wurde bereits 1914 vermehrt mit der Ausbildung von Pflegepersonal begonnen. In Feldlazaretten sahen sie sich neben Verwundungen überdies mit Erkrankungen und Seuchen konfrontiert. Fleckfieber oder Magen-Darm-Erkrankungen waren auf die unhygienischen Zustände in den Schützengräben zurückzuführen. Unter diesen Bedingungen gehörte Typhus in seinen unterschiedlichen Arten überall zu den besonders gefürchteten Epidemien. In Russland, aber auch an der Nordostfront und insbesondere auf dem Balkan litten die Armeen besonders stark unter Flecktyphus, dessen Erreger durch Läuse übertragen wurden. Deutschland hatte einer Ausbreitung durch Entlausungsmaßnahmen weitgehend entgegenwirken können.

Bei Kriegsende 1918 gab es in Deutschland rund 2,7 Millionen physisch und psychisch versehrte Kriegsteilnehmer. Der schreckliche Anblick von Entstellten und Verstümmelten mit Prothesen gehörte zum Alltag der Nachkriegszeit.

Arnulf Scriba
21. Dezember 2021

 

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