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Britische Kriegspropaganda

In Großbritannien wurde zu Beginn des Ersten Weltkriegs in der Kriegspropaganda improvisiert. Die Regierung richtete 1914 im Wellington House ein kleines "War Propaganda Bureau" unter der Leitung von Charles Masterman (1873-1927) ein, dessen Existenz allerdings geheim blieb. Im Februar 1917 wurde es zum "Department of Information", im März 1918 zum vollwertigen Informationsministerium unter Lord Beaverbrook (1879-1964). Die englische Regierung informierte die Öffentlichkeit nur in geringem Umfang, und auch die englischen Propagandaerzeugnisse sollten den Eindruck von Unabhängigkeit und Objektivität erwecken.

Wichtigstes Thema der Inlandspropaganda waren bis zur Einführung der Wehrpflicht 1916 die Aufrufe zur freiwilligen Meldung als Soldat, später der Kampf gegen aufkommende pazifistische Tendenzen und für die Stärkung des Durchhaltewillens der Heimatfront. Neben Broschüren, Artikeln, Plakaten und Filmen spielten auf der Insel auch Vorträge und Meetings eine große Rolle.

Die neuen Massenmedien Fotografie und Film wurden auch in Großbritannien gezielt zu Propagandazwecken eingesetzt. Die Regierung gestattete nur einer begrenzten Zahl von 16 Fotografen, an der Front "offizielle" Bilder zu machen, und nur diese standen der Presse zur Veröffentlichung zur Verfügung. Sie sollten nicht die Schrecken des Kriegs, sondern die Tugenden des einfachen Soldaten zeigen. Im Kino liefen zu Kriegsbeginn vor allem Spielfilme mit patriotisch-militärischen Themen. Hier spielten Rekrutierungsaufrufe oder die verräterischen Pläne deutscher Spione Hauptrollen. Das Interesse der Kinobesucher an solchen Filmen ließ aber bald nach. Die Wochenschauen, die ein realistisches Bild vom Krieg hätten vermitteln können, durften keine "grausamen" Szenen enthalten, und erst 1916 entstand der erste realistische Kriegs-Dokumentarfilm "The battle of the Somme", der wegen seiner ungeschönten Bilder in der Öffentlichkeit erregte Debatten heraufbeschwor. In den beiden letzten Kriegsjahren blieben offizielle Bilder von der Front eher harmlos - das Publikum wollte sich ablenken und unterhalten.

Die Stoßrichtung der britischen Propaganda war von Kriegsbeginn an antideutsch angelegt. Anfang 1915 erschien in Großbritannien der "Bryce Report", eines der einflussreichsten Schriftstücke antideutscher Propaganda. Lord Bryce (1838-1922), ein angesehener Historiker und von 1907 bis 1913 Botschafter in den USA, erhielt den Auftrag der Regierung, die Berichte über deutsche Greueltaten in Belgien zu prüfen. Das Komitee unter seiner Leitung verfasste einen Bericht, der heute zwar als das Ergebnis ungeprüfter Gerüchte und Halbwahrheiten gilt, mit seiner angeblich neutralen und objektiven Aufzählung deutscher Untaten z.B. an Zivilisten und Frauen bot er aber Material für viele Artikel und Pamphlete und entfaltete vor allem in den neutralen USA eine große Wirkung. Dass es sich bei dem Bericht um Regierungspropaganda handelte, blieb der Öffentlichkeit jedoch verborgen. Ähnlich verhielt es sich bei den mit literarischem Anspruch verfassten antideutschen Broschüren, die bekannte britische Schriftsteller, wie z.B. Sir Arthur Conan Doyle (1859-1930) - im Auftrag der Regierung - verfassten.

Die Bildsprache britischer Propaganda konzentrierte sich auf die Metapher des "Hunnen" als Sinnbild deutscher Brutalität und deutschen Militarismus. Der deutsche Überfall auf Belgien, die Versenkung der "Lusitania" oder die Hinrichtung der in Brüssel arbeitenden englischen Krankenschwester Edith Cavell (1865-1915), die alliierten Soldaten die Flucht aus dem besetzten Belgien ermöglicht hatte, gaben immer wieder Anlass, die Deutschen als Barbaren und Monster zu charakterisieren, die gnadenlos unschuldige Zivilisten töteten oder in einer Rüstungsfabrik Arbeiter wie Sklaven mit Peitschen antrieben.

Carola Jüllig
14. September 2014

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