Die Gasmaske zählt zu den beeindruckendsten Objekten aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Die runden Augengläser, die grau-braune Maske und der metallene, konische Filter lassen ihren Träger wie ein Gespenst aussehen. Doch größeren Schrecken als diese Erscheinung löste das aus, wovor diese Maske schützen sollte: Tödlich wirkendes Gas. Der Einsatz von Giftgas prägte die Kriegsführung im Ersten Weltkrieg. Fast jede dritte Granate war 1918 mit chemischen Kampfstoffen gefüllt. Zwar verbesserten sich im Laufe des Krieges die Schutzmaßnahmen, doch auch die Gase und deren Einsatzarten wurden immer fürchterlicher. Ebenso verheerend wie die körperlichen Schäden der Chemiewaffen waren deren psychologische Folgen. Die unsichtbaren Giftgase verbreiteten Angst unter den Soldaten.

Der Einsatz chemischer Kampfstoffe war von der Haager Konferenz im Jahre 1899 verboten worden, doch dessen ungeachtet experimentierten zu Beginn des 20. Jahrhunderts deutsche, französische und britische Forscher mit verschiedenen Mitteln. Als die im Herbst 1914 erstarrenden Fronten in den Generalstäben die Frage aufkommen ließen, wie der Krieg wieder in Bewegung zu bringen sei, wurde der Einsatz diverser chemischer Stoffe erwogen. Die französische Armee setzte bald darauf Tränengas ein, das, in deutsche Schützengräben geschossen, den Gegner aus seinen Stellungen heraus und in die Reichweite der Schusswaffen treiben sollte. Auf deutscher Seite war seit Januar 1915 Professor Fritz Haber, Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physische Chemie, mit Forschungen betraut. Die Verwendung von Tränengas ließ bei der deutschen Armeeführung die Bedenken schwinden, einen anderen, weitaus gefährlicheren Kampfstoff zu verwenden: Chlorgas. Am 22. April 1915 kam diese todbringende Waffe in der Schlacht bei Ypern erstmals zum Einsatz. Als aus 5.730 Stahlflaschen 180 Tonnen flüssiges Chlor abgeblasen wurden, starben auf alliierter Seite hunderte Soldaten, weitere tausende Gasgeschädigte waren zu beklagen.

Die Wissenschaft trieb die Entwicklung voran, und bald setzten alle kriegführenden Nationen chemische Kampfmittel ein. Das nur bei richtiger Windrichtung mögliche Abblasen von Gas aus Behältern wich den neuentwickelten Gasgranaten, die von der Artillerie gezielt verschossen werden konnten. Vom Gasblasen ging zuerst Frankreich zum Gasschießen mit phosgengefüllten Granaten über. Um die Toxizität zu erhöhen, hatte man Chlor mit farblosem Phosgen gemischt. Deutschland weitete dann den Gaskrieg durch neue Kampfstoffe aus. Neben das lungenschädigende Grünkreuz trat hautschädigendes, Leder und Textilien durchdringendes Gelbkreuz. Blaukreuz, ein die Atemfilter durchdringender Schwebestoff, zwang wegen seiner Reizwirkung zum Abnehmen der Gasmasken. Das Verschießen dieser "Maskenbrecher" - in Kombination mit Grünkreuz - wurde als "Buntschießen" bezeichnet: Atemnot und Hustenreiz steigerten sich zum Erstickungsanfall. Der Tod trat bei nahezu vollem Bewusstsein ein.

Der Schutz vor den Augen und Atemwege angreifenden Gasen hatte zunächst improvisiert werden müssen. Mull wurde vor Mund und Nase gepresst, Gasschutzbrillen aufgesetzt. Im Herbst 1915 erhielte die deutsche Armee eine Gasschutzmaske aus beschichtetem Baumwollstoff, im Frühjahr 1916 folgte ein verbessertes Modell. Im Sommer 1917 wurde wiederum eine neue – hier abgebildete – Maske eingeführt, gefertigt aus gasdichtem Ziegenleder und mit einem mit Aktivkohle gefüllten Filter versehen. In der „Bereitschaftsbüchse“ am Trageband ließ sich die Gasmaske griffbereit mitführen, das richtige Anlegen vermittelten praktische Übungen und Merkblätter. Wie die deutschen Soldaten, so wurden auch die Franzosen und Briten über die Jahre mit verschiedenen, immer besseren Schutz bietenden Gasmasken ausgestattet. Als hochsensibles Warnsystem dienten in den Schützengräben gehaltene Tiere wie Kanarienvögel, die auf Luftveränderungen äußerst empfindsam reagierten; Alarm lösten dann Wachen durch akustische Signale wie das Schlagen einer Glocke oder das Drehen einer Knarre aus. Die bis zum Ende des Krieges eingesetzten Giftgase – letzte chemische Attacken erfolgten noch im Oktober 1918 – forderten unzählige Opfer und verbreiteten permanent Angst und Schrecken. Kampfgas wurde zum Inbegriff der modernen, industrialisierten Kriegführung.

Thomas Weißbrich
1. September 2014

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