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Zwangsbewirtschaftung

Als erste Zwangsmaßnahmen wurden Mitte Oktober 1914 ein Verbot der Verfütterung von Brotgetreide und Mehl und eine Verfügung, Weizenbrot durch den Zusatz von Roggenmehl und Roggenbrot mit Kartoffelmehl zu "strecken", erlassen. Der Festlegung von Höchstpreisen für Brot und Getreide folgte im Dezember 1914 die Gründung der Kriegs-Getreide-Gesellschaft. Allein im Januar 1915 traten 16 staatliche Verordnungen zur Regulierung der Lebensmittelversorgung in Kraft. Die einschneidendste Maßnahme war die Bundesratsverordnung vom 25. Januar 1915, die alle Vorräte an Roggen und Weizen unter Beschlag der Kriegs-Getreide-Gesellschaft stellte. Dieser Institution und ihren untergeordneten Einrichtungen oblag fortan die Festlegung der Preise und die Verteilung der vorhandenen Bestände auf die Länder, Bezirke, Kommunalverbände und Gemeinden.

Mit der Verordnung vom 25. Januar 1915 wurde unter der Leitung des späteren Reichskanzlers Georg Michaelis das Amt eines Reichskommissars für die Bewirtschaftung von Brotgetreide eingeführt. Als weitere wichtige Institutionen entstanden u.a. die Reichsverteilungsstelle für Kartoffelversorgung (April 1915, ab Oktober 1915 Reichskartoffelstelle), die Reichsgetreidestelle (Juni 1915), der Verband Deutscher Teigwarenfabrikanten als Unterabteilung der Reichsgetreidestelle (Herbst 1915) und die Reichsstelle für Speisefette (Juli 1916). All diesen Reichsinstitutionen waren gleichartige Ämter auf Landesebene und diesen wiederum die entsprechenden Behörden der Kommunalverbände untergeordnet.

Das Netzwerk der Institutionen zur Lebensmittelbewirtschaftung im Ersten Weltkrieg wurde zunehmend unüberschaubar. Im Jahre 1917 wurden nicht weniger als 125 staatliche Einrichtungen gezählt, die sich mit dieser Problematik beschäftigten. Bereits im Mai 1916 war mit dem Kriegsernährungsamt eine neue Zentralbehörde geschaffen worden, die einheitliche Richtlinien auf Reichsebene durchsetzen sollte. Das Amt war u.a. für die Festsetzung der Höchstpreise und der Höchstsätze der ausgegebenen Rationen auf Reichsebene zuständig, was den Spielraum der Landes- und Kommunalbehörden zwar einengte, diese aber kaum entlastete oder gar überflüssig machte. Die Durchsetzung der staatlichen Maßnahmen zur Lebensmittelversorgung erforderte den Auf- und Ausbau ständig neuer Kontrollorgane. Mitte 1917 unterhielt allein die Reichsgetreidestelle eine Überwachungsabteilung mit 450 Beamten.

Andreas Michaelis
14. September 2014

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