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Kriegspropaganda im Alltag

Im Alltag waren die meisten Menschen in Deutschland aufgrund der schwierigen Versorgungslage damit beschäftigt, sich die notwendigen Lebensmittel und Brennstoffe zu beschaffen. Hinzu kamen die Sorge um den Kriegsverlauf und um das Wohlergehen von Angehörigen an der Front. Deren Erlebnisse und Berichte standen im scharfen Widerspruch zur öffentlichen Darstellung des Krieges. Die Propaganda im Deutschen Reich zielte auf alle Bereiche des Lebens und spielte bei der Mobilisierung der Bevölkerung und Meinungsbildung eine wichtige Rolle. Kämpferische Parolen auf Alltagsgegenständen, Plakate und kriegsverherrlichende Bücher dienten der nationalen Geschlossenheit und sollten Siegesgewissheit vermitteln. 

Viele Deutsche dokumentierten ihre Verbundenheit mit den Frontsoldaten durch Devotionalien mit Kriegsmotiven. Schmuck mit militärischen Symbolen war allgegenwärtig. Patriotische Parolen hielten sogar Einzug in die Kinderzimmer, wo die Jüngsten den Umgang mit Militär und Krieg anhand von Bilderbüchern und Puppen erlernen sollten.

Käthe Kruse (1883-1968) hatte sich bereits mit ihren kindlich-lebensechten Stoffpuppen einen Namen gemacht. Seit Sommer 1914 fertigte sie die sogenannten Potsdamer Soldaten, die Uniformen der kriegführenden Staaten trugen. Die kleinen Figuren mit dem biegsamen Metallskelett waren allerdings nur aufwendig herzustellen, so dass ihre Produktion bald wieder aufgegeben wurde. Danach war Käthe Kruses heute klassische Stoffpuppe bis 1918 in deutscher Uniform im Sortiment. Feldgraue Filzsoldaten bot auch Margarete Steiff (1847-1909) in verschiedenen Ausführungen an - eine Verharmlosung des Kriegs, die sich ähnlich in vielen Bilderbüchern findet. 

Sie zeigten, ganz im Sinne der offiziellen Propaganda, deutsche Kinder als tapfere Soldaten im Kampf gegen die bösen Buben "Nikolaus", "Peter" und den "feigen John" und vermittelten so klischeehaft verzerrte Bilder der Kriegsgegner. "Siegesgewißheit" lautete die Botschaft solcher Publikationen - dank Wilhelm II. und Paul von Hindenburg, dank Zeppelin, Flugzeug, Maschinengewehr und U-Boot. Die brutale Realität des Krieges blieb in den oft drastischen Illustrationen zwar nicht ausgespart, doch meistens überhöhten sie die militärische Stärke Deutschlands. 

Ein weiterer Bereich, in dem sich die patriotische Propaganda bemerkbar machte, war die Genussmittelindustrie, in der manche Zigarettenhersteller ihre Marken verdeutschten. Manoli in Berlin veränderte "Gibson Girl" in "Manoli 'Wimpel'" und Garbáty, ebenfalls in Berlin ansässig, "Duke of Edinbourgh" in "Flaggengala". Beide Produzenten distanzierten sich so von der Seemacht England zugunsten der deutschen Flotte.

Die Porzellanmanufakturen mussten mit Beginn des Ersten Weltkriegs ihre Produktion der Krisenzeit anpassen und patriotische Erinnerungsartikel herstellen. Das Eiserne Kreuz erlebte als Porzellandekor eine Renaissance - neu waren Erinnerungstassen mit dem Kreuz auf feldgrauem Fond.

Traditionell wurden von der Berliner Königlichen Porzellanmanufaktur zu Weihnachten Wandteller auf den Markt gebracht. Dieses Angebot für Sammler wurde auch nach 1914 beibehalten, allerdings zeigen die Motive der Weihnachtsteller für die Jahre 1915 und 1916 nicht nur idyllische Winterlandschaften, sondern auch in die Landschaften hineingestellte Soldaten - einen Infanteristen und einen Kavalleristen auf Heimaturlaub, ausgestattet mit Weihnachtsbaum und Geschenken. In den beiden folgenden Jahren verzichtete man auf die Illusion einer Weihnachtsfeier in verschneiter Märchenlandschaft und wählte als Motive einen lebenslustigen, auf einer Kanone sitzenden und mit Granate und Sektflasche "bewaffneten" Artilleristen sowie Matrosen, die an Deck eines aufgetauchten U-Boots Weihnachten feiern - Szenen, die makaber anmuten angesichts der Not und des Grauens, die den Alltag der Frontsoldaten bestimmten.

Carole Jüllig / Rolf Felbinger / Lukas Kohn
14. September 2014

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