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Die "Osterbotschaft" Wilhelms II.

Die "Politik der Diagonale" von Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, mit der er in der Innenpolitik zwischen den verschiedenen Positionen der Parteien lavierte und versuchte, den Burgfrieden zumindest nach Außen zu erhalten, geriet im Frühjahr 1917 immer stärker in die Kritik. Die innere Spaltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) steigerte den Druck auf eine Verbesserung der politischen Einflussnahme der Arbeiterschaft, was wiederum im bürgerlichen Lager die antiproletarische Abwehrhaltung bestärkte. 

Im Reichstag drängte der Interfraktionelle Ausschuss auf eine Parlamentarisierung der Verfassung und eine Reform des Preußischen Dreiklassenwahlrechts, um eine Eskalation der inneren Konflikte zu vermeiden.

In dieser Situation entwarf Bethmann Hollweg eine Rede für Kaiser Wilhelm II., die den Forderungen nach einer Demokratisierung entgegenkommen sollte. Am 7. April 1917 stellte der Kaiser in seiner "Osterbotschaft" im preußischen Abgeordnetenhaus eine Wahlrechtsreform nach Ende des Kriegs in Aussicht: Das Dreiklassenwahlrecht sollte durch die Einführung direkter und geheimer Wahlen ersetzt werden. Im ursprünglichen Entwurf Bethmann Hollwegs war auch die Gleichheit im Wahlrecht vorgesehen, sie wurde aber aufgrund des Widerstands der konservativen Kabinettsmitglieder und der Obersten Heeresleitung (OHL) fallengelassen. Insgesamt hinterließen die wenig konkreten Versprechungen des Kaisers jedoch Enttäuschung in der politischen Opposition, in der Arbeiterschaft stärkten sie eher noch die Protestbereitschaft, da die "Osterbotschaft" nur auf einige der Forderungen einging und vor allem keinen konkreten Termin für die Reformen in Aussicht stellte.

Manfred Wichmann
14. September 2014

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