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Die Wandervogelbewegung

Mit der Gründung des "Wandervogel-Ausschusses für Schülerfahrten e.V." am 4. November 1901 in Steglitz bei Berlin fand die Wandervogelbewegung in Deutschland ihren Ausgangspunkt. Sie wurde Hauptbestandteil einer sich am Anfang des Jahrhunderts im Kaiserreich herausbildenden eigenständigen Jugendbewegung, die eine von der älteren Generation unabhängige, jugendspezifische Lebensform anstrebte. Ab 1904 bildeten sich über das ganze Deutsche Reich verbreitet verschiedene Wandervogel-Bünde, die sich 1913 zum Wandervogel e.V. mit 25.000 Mitgliedern zusammenschlossen. Erstmals war es mit dem Zusammenschluss nicht nur männlichen Gymnasiasten, sondern auch Mädchen und Volksschülern erlaubt, als Wandervogel den Lebensstil der Bewegung mit Wanderfahrten, Lagerleben, Volkstanz und -musik zu führen. Als "Feldwandervogel" zogen 1914 Tausende Mitglieder in den Ersten Weltkrieg.

Nachdem sich 1922 der zwei Jahre zuvor in Wandervogel Deutscher Jugendbund umbenannte Zentralverband aufgelöst hatte, bestanden in den zwanziger Jahren zahlreiche Einzelverbände der Wandervogelbewegung mit rund 30.000 Mitgliedern, die teilweise eine betont völkische Gesinnung vertraten. Die zumeist von Teilen der bürgerlichen Jugend getragenen Einzelbünde wie der Jungdeutsche Bund, Altwandervogel, Jungwandervogel, Wandervogel Völkischer Bund oder der Nerother Wandervogel verband eine antibürgerliche Einstellung und Ablehnung gegenüber der Kultur der Weimarer Republik. Der von ihnen kritisierten Technisierung und Kommerzialisierung des Alltagslebens versuchten sie mit dem "Erlebnis der Einfachheit" und einer bewusst zur Schau gestellten Naturverbundenheit zu begegnen. Zusammen mit anderen Kerngruppen der Bündischen Jugend schlossen sich verschiedene Wandervogelverbände 1926 zum "Bund der Wandervögel und Pfadfinder" zusammen, der sich 1927 in Deutsche Freischar (DF) umbenannte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden die Bünde im Zuge der Gleichschaltung im Juni 1933 aufgelöst und in die Hitler-Jugend (HJ) überführt.

Arnulf Scriba
6. September 2014

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