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Der Flaggenstreit

Unter Berufung auf Wünsche von Auslandsdeutschen, vor allem in Lateinamerika, wollte der parteilose Reichskanzler Hans Luther deutschen Auslandsvertretungen das Recht zugestehen, neben der schwarz-rot-goldenen Reichsflagge auch die schwarz-weiß-roten Farben des alten Kaiserreiches zu zeigen. Bei den rechten Gegnern der Weimarer Republik war die Reichsflagge wenig beliebt, und sie wurde von ihnen - wie auf dem Wahlplakat der DNVP zu sehen - regelmäßig verunglimpft. Demonstrativ hissten konservative Kreise bei besonderen Anlässen Schwarz-Weiß-Rot, so nach der Reichspräsidentenwahl des Monarchisten Paul von Hindenburg 1925. Auch das Führungsgremium des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) machte in den 1920er Jahren aus seiner Gesinnung kein Geheimnis: Vor Länderspielen in Deutschland ließen sie des öfteren statt Schwarz-Rot-Gold statutenwidrig Schwarz-Weiß-Rot hissen.

Am 5. Mai 1926 folgte Hindenburg den Wünschen Luthers und seines Kabinetts durch Erlass einer neuen Flaggenordnung: Neben der Reichsflagge durften deutsche Vertretungen in europäischen Seehandelshäfen sowie außerhalb Europas auch die schwarz-weiß-rote Handelsflagge mit dem kleinen Obereck in den Reichsfarben zeigen. Die brisante Verordnung löste einen Sturm der Empörung republikanisch gesinnter Kräfte aus. Die SPD, die DDP und das Zentrum protestierten ebenso wie die Gewerkschaften und der Wehrverband Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegen den restaurativen Versuch, das Symbol der alten Ordnung gleichberechtigt neben die Farben der Republik zu rücken. Nach heftigen Debatten um die neue Flaggenordnung stellte die DDP am 12. Mai 1926 im Reichstag einen Misstrauensantrag gegen Reichskanzler Luther, der mit 177 zu 146 Stimmen angenommen wurde. Noch am gleichen Tag trat Luther mit dem Kabinett zurück. Die Flaggenordnung blieb hingegen in Kraft.

Arnulf Scriba
19. Oktober 2009

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