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Die Deutsche Atlantische Expedition

Die Deutsche Atlantische Expedition fand vom 16. April 1925 bis zum 2. Juni 1927 statt. Das Werbeplakat aus dem Jahr 1928 nimmt Bezug auf dieses Meeresforschungsunternehmen, das mit dem Schiff METEOR durchgeführt wurde. Der wissenschaftliche Gedanke, der der Expedition zugrunde lag, war die Tatsache, dass kaum Kenntnisse oder Studien zur ozeanischen Zirkulation vorlagen. Daher war das Ziel der Expedition die flächendeckende Untersuchung des Südatlantiks. Fortlaufend sollten Daten über die Strömung, Temperatur, Wasserzusammensetzung und meteorologische Besonderheiten gewonnen werden. Primär sollte durch die Expedition geklärt werden, ob ein Wasseraustausch zwischen dem Nord- und Südatlantik über den Äquator hinweg existierte. Die Deutsche Atlantische Expedition ist von großer historischer Bedeutung. Sie symbolisiert den Übergang von der beschreibenden zur physikalischen Meereskunde.

Als Kanonenboot in Auftrag gegeben

Ursprünglich im Frühjahr 1914 als Kanonenboot in Auftrag gegeben und in einer Danziger Werft auf Kiel gelegt, verzögerte sich bedingt durch das Ende des Ersten Weltkrieges und der sich daran anschließenden schwierigen wirtschaftlichen Situation lange Zeit die Fertigstellung der METEOR. Die deutsche Admiralität hatte zudem erkannt, dass es fortan keinen militärischen Nutzen für Kanonenboote gab. Infolge der Bestimmungen zur Reduzierung von Kriegsschiffen im Versailler Vertrag entschied man sich 1923/24, das Schiff zum Vermessungsschiff umzubauen. Am 15. November 1924 erfolgte die offizielle Indienststellung. Die Abmessungen des Schiffes betrugen in der Länge etwas über 71 Meter und in der Breite fast 11 Meter.

Auf diplomatischer Mission

Neben der wissenschaftlichen Motivation für die Forschungsreise gab es auch einen politisch-militärischen Leitgedanken: Die Deutschen wollten nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg beweisen, dass die deutsche Wissenschaft trotz diplomatischer Isolierung noch immer bedeutend war. Die METEOR steuerte daher bewusst verschiedene Auslandshäfen in den ehemaligen deutschen Kolonien in Westafrika an und besuchte weitere Gebiete in denen Auslandsdeutsche lebten. Das zusätzliche diplomatische Anliegen der Expedition war es demnach auch „Flagge zu zeigen“.

Das Schiff selbst verfügte über die modernsten Messgeräte seiner Zeit. Neben Lotmaschinen für unterschiedliche Tiefenmessungen besaß das Schiff auch das neuartige in Kiel entwickelte Behmlot, welches auf der Expeditionsfahrt in Kombination zu den traditionellen Lotverfahren – dem Tiefenlot an einer Leine oder einem Stahlseil – auf seine Genauigkeit überprüft werden sollte. An Deck befanden sich Messgeräte für die meteorologischen Untersuchungen, eine Drachenwinde für den Pilotballon und dergleichen.

Das wissenschaftliche Personal an Bord setzte sich interdisziplinär zusammen: Der Direktor des Instituts und Museums für Meereskunde in Berlin, Alfred Merz (1880–1925), war der Initiator und führende Kopf der Expedition. Bis zu seinem frühen Tod war er zugleich hauptverantwortlich für die physikalischen Studien. Günther Karl Gustav Böhnecke (1896–1981) und Georg Wüst (1890–1977) waren die Ozeanographen. Ernst Hentschel (1876–1945) analysierte biologische Proben, vorrangig das Plankton. Carl Wilhelm Correns (1893–1980), der als Mineraloge Gesteinsproben untersuchte, wurde durch Otto Pratje (1890–1952) unterstützt, der eine geologische Bestandsaufnahme des Meeresbodens vornahm. Der Österreicher Alfred Defant (1884–1974) und Erich Walter Gotthard Kuhlbrodt (1891–1972) führten die meteorologischen Untersuchungen durch. Vervollständigt wurde das Team durch Hermann Wattenberg (1901–1944), der die chemischen Proben erforschte. Die Durchführung der Messungen erfolgten gemeinsam mit der 124 Mann starken Schiffsbesatzung.

Suche nach Gold

Ein spezielles Forschungsfeld war das Projekt „M“. Die Abkürzung stand für die Suche nach Meeresgold – der Gewinnung von Goldpartikeln aus dem Meerwasser. Angesichts der im Versailler Vertrag festgehaltenen Reparationszahlungen verwundert der Gedanke nicht, dass jede Möglichkeit der Geldbeschaffung in Erwägung gezogen wurde. Die Suche nach dem Meeresgold verlief jedoch erfolglos.

In Zahlen ausgedrückt, stellt sich die METEOR-Expedition wie folgt dar: 777 Tage Reisezeit, davon 512 Tage auf See – insgesamt 14 Überquerungen des Südatlantiks, eine Gesamtstrecke von 67.500 Seemeilen, 1.030 Ballon- und Drachenaufstiege sowie 67.000 Echolotungen.  

Die Auswertung der Ergebnisse der Forschungsfahrt dauerte bis 1963 an. In vielbändigen Expeditionswerken wurden die Erkenntnisse schriftlich aufbereitet. Neben den wissenschaftlichen Abhandlungen gab es zudem eine Publikation von Fritz Spieß (1881–1959).

Das Schiff METEOR war noch bis in die Mitte der 1970er Jahre im Einsatz. 1937/38 nahm es an der Deutschen Nordatlantischen Expedition teil. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es 1945 als Reparationsleistung an die Sowjetunion und verblieb für sieben Monate in deren Besitz. Bereits im Juni 1946 wurde das Schiff zurückgegeben und dem Deutschen Hydrografischen Institut in Travemünde überschrieben. Kurze Zeit später, im November 1946, wurde das Schiff erneut an die Sowjetunion ausgeliefert und in EKVATOR umgetauft. Fortan wurde das Schiff als Vermessungsschiff eingesetzt, zeitweise auch zu einer schwimmenden Kaserne umfunktioniert, bevor es abgewrackt wurde.

Die akribische Vermessung des Meeresbodens ermöglichte erstmals ein detailliertes Abbild des Meeresbodenprofils des Südatlantiks. Bis heute dient die METEOR als Namensgeberin für die tiefste und flachste Stelle im Südatlantik, die während der Expeditionsfahrt ermittelt wurde. Die sogenannte Meteor-Bank misst nur 560 Meter, während das Meteortief ganze 8.264 Meter aufweist. Die Deutsch Atlantische Expedition konnte den Nachweis erbringen, dass die Strömung der Meere durch unterschiedliche Temperaturen und Salzgehalte zustande kommt. Ein Wasseraustausch über den Äquator hinweg existiert: Warmes Wasser aus dem Südatlantik strömt in den Nordatlantik, kühlt sich ab und fließt zurück. Der Golfstrom ist ein Teil dieser Zirkulation.

Thomas Eisentraut
8. November 2018

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