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Die Deutschkonservative Partei 1876-1918

Aus einer Sammlung unterschiedlicher konservativer Gruppierungen ging 1876 die Deutschkonservative Partei hervor. Sie war eine monarchisch gesinnte Partei und vertrat vor allem die wirtschaftlichen und politischen Interessen der preußischen Eliten. Sie erkannte die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs an und widersetzte sich Eingriffen gegen die monarchischen Vorrechte. Ihre Forderung nach einer Stärkung der Religion war von einer strikt antisozialdemokratischen Politik begleitet. 

 

Die von Ernst von Heydebrand und der Lasa geführten Deutschkonservativen vertraten zwar vorrangig die Interessen der Agrarier, aber sie setzten sich auch für eine Stärkung des Mittelstands ein. Ihren geographischen Schwerpunkt hatten die Deutschkonservativen in den preußischen Ostprovinzen sowie in Sachsen und Mecklenburg. Begünstigt durch das preußische Dreiklassenwahlrecht, waren die Deutschkonservativen die beherrschende Kraft im Preußischen Abgeordnetenhaus. Noch stärker war ihr Einfluss im Herrenhaus. Ihre dominierende Stellung im Preußischen Abgeordnetenhaus sicherte ihnen nicht nur den Einfluss auf das Offizierskorps, die Beamtenschaft und den Klerus, sondern über den Bundesrat auch auf die Reichspolitik.

Gemeinsam mit den Freikonservativen, dem Zentrum und mit Teilen der Nationalliberalen Partei setzten die Deutschkonservativen die von Agrariern und Schwerindustriellen gewünschten Schutzzölle durch. Sie wandten sich gegen den "Kulturkampf" des Reichskanzlers Otto von Bismarck, unterstützten ihn aber bei der Bekämpfung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Nach der Entlassung Bismarcks gingen die Deutschkonservativen in Opposition zur wirtschaftsliberalen Politik des neuen Reichskanzlers Leo von Caprivi. Unter dem Einfluss des antisemitischen Hofpredigers Adolf Stoecker ersetzten sie 1892 ihr altes Parteiprogramm durch das Tivoli-Programm, das sich ausdrücklich gegen den "zersetzenden jüdischen Einfluss" und gegen die Sozialdemokratie wandte. Die stärker agrarprotektionistische Politik unter Fürst Bernhard von Bülow sorgte zwar nach 1900 für eine gewisse Annäherung der Deutschkonservativen an die Reichsregierung, aber sie lehnten liberale Reformen in der Innen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik konsequent ab. Demgegenüber stimmten die Deutschkonservativen allen Militär- und Flottenvorlagen zu, der expansiven Kolonialpolitik folgten sie eher zögerlich. Konsequent widersetzten sich die um den Erhalt ihrer preußischen Machtbasis besorgten Deutschkonservativen jeder Stärkung des Reichs zu Lasten der einzelnen Bundesstaaten. Die Partei geriet immer stärker unter den Einfluss des Bundes der Landwirte (BdL) sowie des Alldeutschen Verbands. Aus der ehemals konservativen Weltanschauungspartei wurde eine reine Interessenspartei, deren Fraktionsstärke von 73 Mandaten (1893) auf 43 Mandate (1912) sank.

Im Ersten Weltkrieg vertraten die von Graf Kuno von Westarp (1864-1945) geführten Deutschkonservativen die illusionären Annexionsziele des Alldeutschen Verbands. Sie befürworteten den uneingeschränkten U-Boot-Krieg und lehnten die Friedensresolution des Reichstags vom Juli 1917 vehement ab. Innenpolitisch widersetzten sich die Deutschkonservativen der Parlamentarisierung des Reichs und der von der Reichstagsmehrheit geforderten Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts. Nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. löste sich die Deutschkonservative Partei im November 1918 auf. Ein Großteil ihrer Mitglieder wechselte in die neugegründete Deutschnationale Volkspartei (DNVP).

Burkhard Asmuss / Arnulf Scriba
29. August 2016

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