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Die Märzkämpfe in Mitteldeutschland 1921

Die prekäre wirtschaftliche Situation Anfang der zwanziger Jahre verschärfte die soziale Lage und die Unzufriedenheit vor allem Industriearbeiter in der Weimarer Republik. In ihren Hochburgen erhielten die Linksparteien großen Zulauf. Die KPD  wurde bei den Wahlen zum preußischen Landtag am 20. Februar 1921 im Wahlkreis Halle-Merseburg mit fast 30 Prozent der Stimmen stärkste Partei. Im mitteldeutschen Industriegebiet, wo der Braunkohlebergbau und die chemische Industrie dominierten, kam es seit dem Lüttwitz-Kapp-Putsch von März 1920 fortwährend zu Streiks, Zusammenstößen zwischen Arbeitern und der Polizei sowie Diebstählen in den Fabriken und landwirtschaftlichen Betrieben. Alle Versuche, solche Eigentumsdelikte durch Werkspolizei, Leibesvisitationen und strengere Überwachung zu unterbinden, schlugen fehl.

Die Provinz Sachsen bereitete der preußischen Landesregierung auch deshalb Sorge, weil sich hier noch zahlreiche Waffen in den Händen der Arbeiter befanden, die nach der Niederschlagung der Märzaufstände 1920 nicht beschlagnahmt werden konnten. Zudem führten die Spuren eines fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlags auf die Berliner Siegessäule am 13. März 1921 nach Sachsen. Dies veranlaßte den preußischen Innenminister Carl Severing und den Oberpräsidenten der preußischen Provinz Sachsen, Otto Hörsing (1874-1937), im mitteldeutschen Industriegebiet einzugreifen. Am 19. März 1921 wurden Polizeiabteilungen nach Mansfeld und Eisleben geschickt, um "Ordnung und Sicherheit" wiederherzustellen.

Die Parteiführung der KPD, die schon länger nach Anlässen für einen gewaltsamen Sturz der ihr verhassten parlamentarischen Demokratie suchte, hoffte angesichts des Eingreifens der Staatsmacht in Mitteldeutschland auf die spontane Erhebung der dortigen Arbeiter. Vor allem durch Propaganda in der Parteizeitung "Rote Fahne" sollten revolutionäre Aktionen initiiert werden. Die Arbeiter verhielten sich aber zunächst zurückhaltend. Trotz des Aufrufs von der KPD-Bezirksleitung zum Generalstreik am 21. März wurden die Arbeiten in den meisten Betrieben außerhalb des engeren Mansfelder Bezirks fortgesetzt. Erst am Folgetag weiteten sich die Arbeitsniederlegungen im Bergbaugebiet Mansfeld-Eisleben aus. Mit letztendlich fehlgeschlagenen Sprengattentaten auf die Munitionsfabrik in Seesen und eine Konsumgenossenschaft in Halle wollte die KPD-Führung die Aufstände gezielt vorantreiben.

Mit dem Eintreffen des Anarchisten Max Hoelz, der sich bereits bei den Arbeiterunruhen 1919/1920 im Vogtland als gewaltsamer und radikaler Arbeiterführer hervorgetan hatte, eskalierte die Streikbewegung zu einem gewaltsamen Aufstand. Hoelz sprach auf verschiedenen Streikversammlungen und rief die Arbeiter zum gewaltsamen Widerstand gegen die Polizei auf. Im Laufe des 22. März kam es zu ersten gewalttätigen Übergriffen auf Polizeibeamte in Eisleben. Hoelz begann, streikende Arbeiter und arbeitslose Bergleute mit Waffen auszurüsten und in Stoßtrupps zu organisieren, die das Gebiet um Mansfeld, Eisleben und Hettstedt mit Brandstiftungen, Plünderungen, Bankraub und Sprengstoffattentaten überzogen. Züge wurden entgleist und Eisenbahnstrecken gesprengt. Der KPD-Bezirksleitung in Halle entglitt durch die Gewalttätigkeiten von Hoelz zunehmend die Kontrolle über die bewaffneten Arbeiter. Etwa 2.000 von ihnen verbarrikadierten sich auf dem Gelände der Leuna-Werke, um diese gegen einen Angriff der Polizei zu verteidigen.

Die Aufstandsbewegung drohte auch auf den Freistaat Sachsen überzugreifen, wo es zu fehlgeschlagenen Bombenanschlägen gegen Justizgebäude in Dresden, Leipzig und Freiberg gekommen war. Zu blutigen Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Polizei kam es auch in Hamburg, wo der Senat den Ausnahmezustand über die Stadt verhängen mußte. Vor diesem Hintergrund erklärte Reichpräsident Friedrich Ebert am 24. März auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung den nichtmilitärischen Ausnahmezustand für Hamburg und die Provinz Sachsen. Am gleichen Tag proklamierte die KPD den Generalstreik im ganzen Reich, der jedoch fast unerhört verhallte. Nur in der Lausitz, in Teilen des Ruhrgebiets und Thüringen kam es zu Solidarstreiks. In Hamburg lieferten sich Arbeitslose, die einige Werften besetzt hielten, mit der Polizei gewalttätige Auseinandersetzungen. Im mitteldeutschen Industriegebiet verschärften sich nach Bekanntwerden der Präsidialverordnung die Kämpfe, die nun auch auf Halle, Merseburg Wittenberg, Delitzsch und Bitterfeld übergriffen. Jedoch gelang es den Regierungstruppen, die Oberhand zu gewinnen, Ende März waren die Aufstände blutig niedergeschlagen.

Mit der Zerschlagung der letzten, von Max Hoelz geführten Truppe bei Beesenstedt am 1. April 1921 brach die Streikbewegung zusammen. Die KPD zog am selben Tag ihren Generalstreik-Aufruf zurück. Über hundert Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben, mehr als 3.000 Aufständische wurden festgenommen.

Johannes Leicht
14. September 2014

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