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Revolutionärer Nationalismus

Unter dem Begriff "Revolutionärer Nationalismus" sammelten sich in der Weimarer Republik jungkonservativer Kräfte. Das "Fronterlebnis" des Ersten Weltkriegs war der Ausgangspunkt für ihren extremen Nationalismus und wurde zu einem entscheidenden Leitmotiv für ihre Protesthaltung gegen die Weimarer Republik. Gegenüber den Vertretern der sozialromantische Züge tragenden Konservativen Revolution waren die Nationalrevolutionäre militanter und schonungsloser. Erbarmungslos wollten sie sein wie der Krieg, aus dem sie soeben kamen. Die von ihnen propagierte "Kampfgemeinschaft blutmäßiger Bindung" sollte ihre Erfüllung im absoluten Führer- und imperialen Reichsgedanken finden. Die Nationalrevolutionäre in ihren zumeist kleinen, intellektuellen Zirkeln verband eine tiefe Verachtung gegen die politische Ordnung der Weimarer Republik sowie der bürgerlich-zivilen Welt. Bewusst distanzierten sie sich vom rechtskonservativen Nationalismus wilhelminischer Prägung und dessen "kleinbürgerlich-spießigen" Ideale. Und auch die Nationalsozialisten verhönten sie als "kleingeistige Proletarier".

Ihre deutlichste Ausprägung erfuhr diese Geisteshaltung in den Schriften Ernst Jüngers. In seinen Kriegestagebüchern "In Stahlgewittern" (1920) und "Der Kampf als inneres Erlebnis" (1926) verklärte Jünger den Krieg als mythisches Naturereignis, aus dem er einen "neuen stahlharten Schlag des Menschen in die Gegenwart" treten sah. Der Weimarer Republik als Verwirklichung der "angesäuerten Ideale der Großväter" verweigerte sich Ernst Jünger ebenso wie sein Bruder Georg Friedrich Jünger (1898-1977). Mit stark antibürgerlicher Stoßrichtung postulierten Nationalrevolutionäre wie die Gebrüder Jünger und Karl Otto Paetel eine idealtypische Gestalt des Arbeiters als Inbegriff des neuen Menschen, der die Nachfolge des Frontkämpfers antreten sollte. Das verachtete "dekadente" Bürgertum sollte durch einen "völkisch geballten Machtstaat" ersetzt werden, in dem das Militärische und Heldische ihre Krönung finden sollten. Sinnbild des neuen Staats war das "Kriegsschiff, nicht der Gesellschaftsdampfer" - wie es Ernst Jünger formulierte - mit einer simplen Übertragung der Heeresgliederung auf die staatlichen Organe.

Seine pointierte Schilderung des Kriegserlebnisses verband Jünger mit einer ebenso zugespitzten Verhöhnung der Republik und ihrer demokratischen Werte. Eine zynische "Lust am Untergang" und eine Zersetzung bestehender Werte durchzog die Schriften der Nationalrevolutionäre. Auf diese Weise leisteten sie dem Nationalsozialismus bedeutende Schrittmacherdienste.

Arnulf Scriba, Daniel Wosnitzka
14. September 2014

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