Walter Gropius gründete 1919 in Weimar das Staatliche Bauhaus - eine Schule für Architekten, Künstler und Designer, an der Modernität und Funktionalität proklamiert und neue Produktionsformen erprobt wurden. Hier konnten Künstler mit avantgardistischen Visionen experimentieren und eine neue, zeitgemäße Formensprache entwickeln. Nach Querelen mit der neuen, konservativen thüringischen Regierung musste das Bauhaus 1925 seinen Sitz nach Dessau verlegen. Gropius entwarf für diesen Standort ein Gebäude, das im Dezember 1926 bezogen wurde. Gleichzeitig entstanden die vier sogenannten Meisterhäuser mit Wohn- und Arbeitsräumen für die Lehrkräfte.

1926 entstand auch der erste Abschnitt der Siedlung Dessau-Törten mit 60 Häusern, ebenfalls nach Entwürfen von Gropius. Das Bauhausgebäude mit der markanten verglasten Fassade des Werkstättentrakts wurde sofort als Inbegriff der Moderne, als Umsetzung von Programm und Anspruch dieser jungen Bildungseinrichtung verstanden. Seine Klarheit, Helligkeit und Funktionalität setzten Maßstäbe für die Architektur des Neuen Bauens. Wichtiger als rein ästhetische Kriterien waren jedoch die sozialpolitischen Forderungen, die an die moderne Architektur gestellt wurden. Angesichts der großen Wohnungsnot in der Weimarer Republik erschien eine Reform des Wohnungsbaus dringend notwendig: Allein in Berlin fehlten im Jahr 1925 rund 100.000 Wohnungen.

Rationellere Bauweisen und neue Finanzierungsformen wie die Hauszinssteuer sollten das Bauen verbilligen. In Großsiedlungen entstanden oft mehrere Tausend kleiner Wohneinheiten, die die Kriterien der Wohnungsreformer erfüllten. Begrüntes Umfeld, ausreichende Belichtung und moderne sanitäre Ausstattung hoben sie über den Standard der Altbauten. Das Grundproblem, nämlich die Schaffung von Wohnraum für Minderbemittelte, lösten auch solche Projekte nicht. "Die Wohnung für das Existenzminimum" existierte meist nur auf dem Papier.

Das Unterrichtsprogramm des Bauhauses umfasste ein breites Spektrum - von Malerei, Graphik und Skulptur, Typographie und Photographie über Reklame, Weberei, Bühnenkunst und Tanz bis zur Produktgestaltung. Ein für alle "Gesellen" obligatorischer Vorkurs vermittelte Material- und Technikkenntnisse, denn besonders wichtig war ihren Lehrern, den "Meistern", die Verbindung von künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten. Ab 1927 trat die Architektur, einschließlich der Inneneinrichung, ins Zentrum der Bemühungen. Trotz wechselnder Leiter und Schwerpunkte blieb es immer Ziel des Bauhauses, alle Lebensbereiche modern und sachlich zu gestalten, preiswerte, funktionale und standardisierte Industrieprodukte zu entwerfen und so eine Ästhetik zu entwickeln, die - als Synthese zwischen Kunst und Technik - den Forderungen der neuen Zeit Rechnung tragen sollte.

In der Lehre des Bauhauses spielte auch die soziale Frage eine Rolle. Die in der Tischlerei, Weberei oder Metallwerkstatt entwickelten Produkte sollten als Grundlage für die industrielle Serienfertigung dienen. So entwickelten Josef Albers (1888-1976), Marcel Breuer (1902-1981) und Ludwig Mies van der Rohe standardisierte Typenmöbel für Kleinwohnungen, die den rationellen Wohnungsbau des "Neuen Wohnens" ergänzten. Marcel Breuer und Mart Stam (1899-1989) entdeckten das Stahlrohr als Material und machten es für die Möbelfertigung nutzbar. Einige der von Bauhaus-Künstlern entwickelten Stahlrohrmöbel wurden seit Ende der zwanziger Jahre von der Firma Thonet in handwerklicher Arbeit hergestellt und vertrieben. Sie waren keine preiswerten Massenprodukte; in ihrer kühlen Eleganz und Sachlichkeit verkörpern sie jedoch bis heute die Bauhausidee. Der Schreibtisch, seit Anfang der dreißiger Jahre im Thonet-Programm, wurde von Benno Weil, dem Stiefsohn des Firmeneigentümers Theodor Pilzer, entworfen und ist deutlich vom Bauhausdesign beeinflusst: Einfache Grundformen und die variable Zusammensetzung der Teile ermöglichten vielfältige Varianten. Zum standardisierten, für alle erschwinglichen Industrieprodukt brachten es jedoch nur einige Entwürfe, wenn sich eine Firma zur Kooperation mit den Werkstätten bereitfand, wie die Hannoversche Tapetenfabrik, vertreten durch Dr. Emil Rasch.

Seit 1928 arbeitete das Bauhaus mit zwei Lampenherstellern zusammen: den Firmen Schwintzer & Gräff und Körting & Mathiesen (Kandem) in Leipzig. Gemeinsam entwickelt wurden Schreib- und Nachttischlampen. Das ursprünglich aus Stahlblech und Eisen gefertigte Modell der Schreibtischlampe wurde dann in den dreißiger Jahren in leicht veränderter Form von der Firma weiter verkauft. Diese "Kandem-Lampe" aus Aluminium gab es auch in unterschiedlichen Farben gespritzt. Sie wurde in großer Stückzahl produziert und war so erfolgreich, dass sie sogar von anderen Herstellern imitiert wurde. Trotz solcher gelungenen Beispiele hat sich der umfassende Anspruch des Bauhauses auf die ästhetische Durchdringung aller Lebensbereiche nicht verwirklicht.

Gropius trat 1928 von der Leitung des Bauhauses zurück. Von 1928 bis 1930 leitete es Hannes Meyer (1889-1954), ab 1930 Ludwig Mies van der Rohe. Nach ihrer Machtübernahme zerschlugen die Nationalsozialisten das Bauhaus 1933.

Carola Jüllig
2. September 2014

lo