"Kein Bruderkampf" titelte der "Vorwärts" am 10. November 1918 seinen Leitartikel. Mit dieser Überschrift traf das Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) einen Tag nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und der Ausrufung der Republik prägnant die Stimmung der Arbeiterschaft und vieler Soldaten. Trotz tiefer Gräben innerhalb der Sozialdemokratie war nicht zuletzt auf Druck der Basis am Morgen des 10. November 1918 ein paritätisch aus Mitgliedern der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) und der SPD besetzter Rat der Volksbeauftragten gebildet worden. Wenige Stunden später bestätigten 3.000 gewählte Delegierte der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte die provisorische Reichsregierung in einer Versammlung im Zirkus Busch. Zugleich wählten sie einen Vollzugsrat, der den Anspruch erhob, bis zur Einberufung eines gesamtdeutschen Reichsrätekongresses den Rat der Volksbeauftragten zu kontrollieren.

Erst nach turbulenten Auseinandersetzungen hatten die gemäßigten Kräfte unter den Delegierten eine paritätische Besetzung des Vollzugsrats aus beiden sozialdemokratischen Parteien erzwungen. Gescheitert war damit der Plan der radikalen Linken, ein ausschließlich aus Unabhängigen Sozialdemokraten und Mitgliedern des Spartakusbunds zusammengesetztes Gremium zu bilden. Durch Beanspruchung der "diktatorischen Gewalt" nach sowjetrussischem Vorbild hätte dieser die eigentliche staatliche Macht innerhalb einer Räterepublik werden sollen. Aufgrund der paritätischen Besetzung stieß die Ausübung der Staatsgewalt durch die Volksbeauftragten auf keinen ernsthaften Widerstand im Vollzugsrat. Gemeinsames Ziel beider revolutionären Gremien waren die Einberufung einer Nationalversammlung und die Konstituierung einer parlamentarischen Republik.

Arnulf Scriba
14. September 2014

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