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    Galeazzo Graf Ciano und von Ribbentrop in Mailand, 1939

> NS-Regime > Außenpolitik

Die deutsch-italienischen Beziehungen

Trotz ähnlicher nationalistischer, imperialistischer und rassistischer Weltanschauung prägten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme Widersprüche die deutsch-italienischen Beziehungen. Sowohl Adolf Hitler als auch Benito Mussolini wussten um die Gemeinsamkeiten, aber auch um die Gegensätze der jeweiligen außenpolitischen Interessen. Im April 1933 traf Hermann Göring im Auftrag Hitlers mit Mussolini zusammen, um einen möglichen "Anschluss" Österreichs an Deutschland auszuloten. Mussolini, der Österreich als "Pufferstaat" bewahren wollte und kein Interesse an einem starken Deutschland hatte, bestand auf der österreichischen Souveränität. International gewährleistete Italien die österreichische Unabhängigkeit, indem es im Frühjahr 1934 mit Frankreich und Großbritannien eine Sicherheitsgarantie für das Land übernahm. Es stärkte seine Interessen weiter durch den Abschluss der "Römischen Protokolle" vom 17. März 1934, mit denen Österreich wirtschaftlicher Bündnispartner Italiens wurde.

Trotz eines persönlichen Treffens im Juni 1934 bei einer gemeinsamen Massenkundgebung in Venedig blieb die Beziehung zwischen Hitler und Mussolini distanziert. Das deutsch-italienische Verhältnis erreichte einen Tiefpunkt, als am 25. Juli 1934 die österreichische NSDAP einen Putschversuch gegen die Dollfuß-Regierung unternahm. Hitler entzog den Putschisten erst dann seine Unterstützung, als italienische Truppen am Brenner aufmarschierten, um die österreichische Unabhängigkeit notfalls militärisch zu sichern. Im April 1935 unterzeichnete Italien mit Frankreich und Großbritannien eine gemeinsame Erklärung gegen die Aufrüstung Deutschlands und für den Erhalt der österreichischen Eigenstaatlichkeit.

Auf diese Weise international abgesichert, wollte Mussolini ein neues "Römisches Reich" begründen und beabsichtigte daher territoriale Erweiterungen der italienischen Kolonien in Afrika. Am 3. Oktober 1935 rückten italienische Truppen von Eritrea und Italienisch-Somaliland aus in das bis dahin unabhängige Abessinien ein. Übergriffe auf die Zivilbevölkerung und der Einsatz von Giftgas führten dazu, dass sich Frankreich und Großbritannien von Italien abwendeten und der Völkerbund es scharf verurteilte. Die in Folge wirtschaftlicher Sanktionen eintretende politische Isolierung machte es für Mussolinis Expansionsvorhaben im Mittelmeerraum notwendig, sich andere Bündnispartner zu suchen. Im Januar 1936 erklärte der "Duce" dem deutschen Botschafter in Rom, Ulrich von Hassell, er habe keine Einwände mehr gegen einen deutschen Satellitenstaat Österreich. Der Beginn des Spanischen Bürgerkrieges im Juli 1936 führte erstmals zu einer internationalen Kooperation beider Staaten. Neben Waffenlieferungen unterstützten deutsche und italienische Truppen die spanischen Faschisten auch mit militärischen Einsätzen. Weitere Schritte zur Annäherung waren das am 25. Oktober 1936 unterzeichnete geheime Kooperationsabkommen, das Mussolini im November 1936 öffentlich bekannt gab und dabei zum ersten Mal von der "Achse Berlin-Rom" sprach. Darauf folgten der Beitritt Italiens zum Antikominternpakt am 6. November 1937 und ein Wirtschaftsabkommen vom 18. Dezember 1937, das gegenseitige Wirtschaftshilfe im Kriegsfall vorsah. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen am 12. März 1938 erfolgte der "Anschluss" Österreichs. Im Mai akzeptierte Hitler während eines Staatsbesuches in Rom entgegen seiner bisherigen Politik den Verbleib Südtirols bei Italien. Die Alpen wurden als "natürliche" Grenze zwischen den deutsch-italienischen Interessensphären festgelegt.

Im September 1938 provozierte Hitler eine internationale Krise um das Sudetengebiet in der Tschechoslowakei. Er wollte die Krise als Kriegsgrund nutzen und ließ alle Gespräche mit Frankreich und Großbritannien scheitern. Mussolini aber führte auf der Münchner Konferenz einen Ausgleich in der Sudentenfrage herbei und verhinderte so den Kriegsausbruch. Eine neue Qualität des deutsch-italienischen Verhältnisses stellte der im Mai 1939 abgeschlossene Stahlpakt dar, der bereits die künftigen militärischen Expansionen beider Vertragspartner regelte. Noch im selben Monat schloss jedoch Mussolini in einem Brief an Hitler die Kriegsfähigkeit seines Landes für das folgende Jahr aus. Als Hitler am 25. August 1939 die Weisung zum Überfall auf Polen gab, verweigerte Mussolini die Bündnistreue, woraufhin der Befehl widerrufen werden musste.

Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Ein letzter Vermittlungsversuch Mussolinis blieb von Hitler unbeantwortet. Am 10. Juni 1940 folgten die italienischen Kriegserklärungen an Großbritannien und Frankreich, Italien trat auf Seiten Deutschlands in den Krieg ein. Das deutsch-italienische Bündnis wurde am 27. September 1940 mit dem Dreimächteabkommen gestärkt, in dem die "Achse Berlin-Rom" um Tokio ergänzt wurde. Seit seinem Kriegseintritt erwies sich der italienische Bündnispartner jedoch nur als geringe Entlastung für das NS-Regime. Sowohl Mussolinis Griechenlandfeldzug als auch die Kämpfe in Nordafrika konnten erst mit der Unterstützung der Wehrmacht Erfolge verzeichnen. Dadurch waren deutsche Kräfte gebunden, die beim Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 fehlten. Mussolini erklärte zwar der Sowjetunion ebenfalls den Krieg, drängte aber Hitler bereits im Dezember des Folgejahres wieder zur Einstellung des Kriegs an der Ostfront. Im Januar 1943 schlug Rumänien Mussolini im Namen der anderen deutschen Verbündeten vor, Hitler zu Friedensgesprächen mit den Westalliierten zu bewegen. Im April versuchte auch Ungarn, Italien zu einem Separatfrieden mit dem Westen zu bewegen. In der Folgezeit zog Italien seine Truppen von der Ostfront ab und Mussolini sprach sich bei Hitler erneut für einen Frieden mit Josef Stalin aus.

Am 10. Juli 1943 leitete die Landung alliierter Truppen auf Sizilien das Ende von Mussolinis Herrschaft ein. Zwei Wochen später wurde er vom "Großen Faschistischen Rat", dem obersten Partei- und Staatsgremium, abgesetzt und einen Tag danach auf Befehl von König Viktor Emanuel III. verhaftet. Der neue italienische Ministerpräsident Marschall Pietro Badoglio (1871-1956) löste die faschistische Partei und den "Großen Faschistischen Rat" auf, erklärte aber die vorläufige Fortsetzung des Kriegs. Am 12. August 1943 begannen in Lissabon Verhandlungen über Waffenstillstandsbedingungen zwischen italienischen und alliierten Vertretern. Im selben Monat rückten Wehrmachtsverbände in Norditalien ein. Als Badoglio am 8. September im Rundfunk den Waffenstillstand mit den Alliierten verkünden ließ, besetzte die Wehrmacht zwei Tage später Rom und die Alpenpässe. Am 18. September 1943 rief der zuvor von deutschen Spezialeinheiten befreite Mussolini in einer Rundfunkansprache in München die "Soziale Republik Italien" im norditalienischen Salò aus, die aber lediglich eine Marionettenregierung der deutschen Besatzungsmacht war. Daraufhin erklärte am 13. Oktober die süditalienische Regierung unter Marschall Badoglio dem Deutschen Reich den Krieg und die Westmächte erkannten Italien als Verbündeten an. Unterstützt und ermutigt durch den Vormarsch der Alliierten formierte sich in Norditalien Widerstand gegen die deutschen Besatzungstruppen. Als im April 1945 die US-Armee Oberitalien zu erobern begann, musste die Wehrmacht Italien räumen. Am 28. April wurde der "Duce" Benito Mussolini nach erfolglosen Verhandlungen mit dem italienischen Widerstand auf der Flucht nach Deutschland von Partisanen erschossen. Italien beendet den Krieg im Mai 1945 auf Seiten der Alliierten.

Julian Plenefisch
15. Oktober 2015

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