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Die Völkische Bewegung

Der ideologische Kern der Völkischen Bewegung war von einem aggressiven Nationalismus und Antisemitismus sowie von einem extremen Sozialdarwinismus bestimmt. Im "Kampf ums Dasein" konnte sich nur die überlegene, wertvolle "Rasse" durchsetzen. Als minderwertige "Rasse" und als "Wurzel allen Übels" galten vor allem die Juden. Zu einem Haupttheoretiker der Völkischen gehörte im 19. Jahrhundert der österreichische Anthropologe Guido von List, der das Hakenkreuz als angebliches "arisches" Symbol in völkischen Verbänden verbreitete. Während des Ersten Weltkriegs und verstärkt in der Weimarer Republik gelang es diesen teilweise esoterischen und okkulten Gruppierungen, ihre Anhängerschaft beträchtlich zu vergrößern.

Diese Gruppierungen setzten schon im Kaiserreich vorhandene geistige Strömungen fort und richteten sich in besonders extremer Form gegen die Republik von Weimar. Die "völkische" Weltanschauung verstand sich in erster Linie als eine deutsche Weltanschauung. Die deutsche Nation konnte sich demnach nur aus Angehörigen "deutschen Blutes" zusammensetzen. Immer mehr wurde die Forderung nach Reinhaltung des "deutschen Blutes" mittels einer strengen "Rassenhygiene" und die Pflege deutschen Brauchtums zu den bestimmenden Wesensmerkmalen völkischer Verbände, die in den unterschiedlichsten Organisationen zusammengefaßt waren.

Hauptträger völkischer Ideologie waren der Alldeutsche Verband sowie die 1912 gegründete Geheimorganisation Germanenorden, aus dem 1918 die Thule-Gesellschaft hervorging. Völkische Gruppierungen nahmen nach der Revolution von 1918/19 an Zahl und Mitgliederstärke rasch zu. Vereine wie der "Verband gegen die Überhebung des Judentums" oder der "Deutsch-Österreichische Schutzverein Antisemitenbund" deuteten bereits mit ihrer Namensgebung an, eine "jüdische Vermischung deutschen Blutes" verhindern zu wollen. Die "Deutschvölkische Beamtenvereinigung" oder der "Bund völkischer Frauen" waren ebenso dezidiert antisemitisch eingestellt wie der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband (DHV). Größte völkisch-antisemitische Organisation war der auf Initiative des Alldeutschen Verbands im Februar 1919 gegründete "Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund". Anfang der 20er Jahre verfügte er über rund 200.000 Mitglieder, die sich vor allem aus dem Mittelstand und dem Bildungsbürgertum rekrutierten.

Unter den völkischen Verbänden ragte zu Beginn der Weimarer Republik die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) noch nicht sonderlich heraus. Erst mit dem Parteieintritt Adolf Hitlers, der programmatischen Erneuerung der DAP und ihrer Umbenennung in Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) verlor die Partei den Charakter einer rechtsradikalen politischen Sekte, wie es sie in Bayern 1919/20 zahlreich gab. Mit der NSDAP eröffneten sich für die Völkischen die Grundlagen für eine Bündelung ihrer Kräfte. Neben einem extremen Antisemitismus postulierte die NSDAP als Integrationsfaktor der Völkischen Bewegung die rassenbiologisch begründete Vorstellung vom Lebensraum, die der Alldeutsche Verband schon vor 1914 entwickelt hatte. Hitler erweiterte das gemäßigte alldeutsche Lebensraum-Konzept in "Mein Kampf" zum Zentralbegriff der nationalsozialistischen Expansionsideologie. Völkischer Rassenhass und Agitation gegen "Fremdvölkische" fanden in der Weimarer Republik 1930 in dem in hohen Auflagen verbreiteten Buch "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" von Alfred Rosenberg - des nach Hitlers "Mein Kampf" wichtigsten Werks nationalsozialistischer Ideologie - noch einmal einen publizistischen Höhepunkt.

Daniel Wosnitzka
25. Juni 2015

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