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    Festumzug zum 1. Mai 1933 in Hattingen

> NS-Regime > Etablierung der NS-Herrschaft

Der 1. Mai - "Tag der nationalen Arbeit"

Nach ihrer Machtübernahme 1933 hatten die Nationalsozialisten unter den vielfach sozialdemokratisch und kommunistisch orientierten Arbeitern weit weniger Anhänger, als dies in anderen Berufsgruppen der Fall war. Ein vorrangiges Ziel der NS-Führung war daher die Einbindung der Arbeiter in das neue Regime sowie die politische Entmachtung der Gewerkschaften, in denen sie einen "Hort der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung" sahen. Um unter Arbeitern Sympathien für den Nationalsozialismus zu fördern, erklärte das NS-Regime den 1. Mai als "Tag der nationalen Arbeit" zum gesetzlichen Staatsfeiertag bei voller Lohnfortzahlung. Damit gingen sie scheinbar auf eine alte Forderung der internationalen Arbeiterbewegung ein.

Führende Gewerkschafter wie Wilhelm Leuschner oder Theodor Leipart (1867-1947) befanden sich auf Kooperationskurs mit den neuen Machthabern. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) hatte sich schon im Februar 1933 zur politischen Neutralität gegenüber der Regierung verpflichtet, um sein Überleben zu sichern. Der ADGB beteiligte sich an den Maifeiern 1933 und erhoffte die Erfüllung weiterer sozialer Forderungen. Doch die Staatsmacht vereinnahmte den 1. Mai für sich: Massenaufmärsche und aufwändig arrangierte Kundgebungen sollten den Eindruck von Arbeiterfreundlichkeit vermitteln. Für Adolf Hitler und Joseph Goebbels aber waren die Feiern nur wirkungsvoll inszenierter Auftakt zur Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933.

Unter den nationalsozialistischen Feiertagen nahm der 1. Mai in den folgenden Jahren eine herausragende Stellung ein. Seine ursprüngliche Bedeutung als der wichtigste Festtag der internationalen Arbeiterschaft verdrängten die Nationalsozialisten: Wurde der 1. Mai 1933 noch als "Feiertag der nationalen Arbeit" begangen, so fehlte mit der Bezeichnung "Nationaler Feiertag des deutschen Volkes" ab 1934 jeglicher Bezug zur Arbeit. Mit der Umbenennung beriefen sich die Nationalsozialisten auf uraltes, vorgeblich germanisches Brauchtum. Der 1. Mai galt ihnen als "den ewigen Lebenskreislauf bejahender" Festtag zum Frühlingsbeginn. Der Maibaum als zentrales Symbol wurde, wie es in vielen Gegenden Deutschlands schon vorher praktiziert worden war, mit einem oder mehreren Kränzen geschmückt. Ein einzelner Kranz stand dabei für den Jahreskreis, bis zu drei verschieden große Kränze symbolisierten die im Lauf eines Jahres größer werdende Bahn der Sonne. Hinzu kamen unter dem NS-Regime Dekorationen wie Hakenkreuze, die Symbole der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und ihrer Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) sowie die Insignien verschiedener Berufsgruppen der Arbeit und des Handwerks.

Schon Wochen vor dem 1. Mai wurden Gebäude, Straßen und Festplätze überall in Deutschland geschmückt, Festzüge vorbereitet und Lieder einstudiert. Hierbei erwartete die Staatsmacht von NS-Organisationen wie der Hitler-Jugend (HJ), dem Bund deutscher Mädel (BDM) oder der DAF besonders eifriges und vorbildliches Engagement. Die Feierlichkeiten begannen zumeist am Abend des 30. April mit dem "Mai-Einsingen". Neben Frühlingsliedern wurden solche Lieder gesungen, die dem beabsichtigten Charakter des Fests als einer "politischen Kundgebung" entsprachen. Am Feiertag selbst fanden in den meisten Orten Festumzüge statt. An vorderster Stelle marschierten zumeist Abordnungen von Wehrmacht, Sturmabteilung (SA), Schutzstaffel (SS) und der HJ. Weiterhin präsentierte sich die DAF und ihre Fachämter mit Festwagen und Festmarsch der Mitglieder. Volksfeste mit Gesang und Tanz, Kinderspielen, Schaustellern und Sportwettkämpfen rundeten die Maifeierlichkeiten in vielen Orten ab.

Bestandteil der Feierlichkeiten im ganzen Land war die Rundfunkübertragung von Hitlers Rede beim zentralen Staatsakt in Berlin, der mit Kundgebungen, Musik- und Kunstflugdarbietungen, Wehrübungen und einem abschließenden nächtlichen Feuerwerk eine gigantische Propagandaveranstaltung darstellte, die offiziell über eine Million Menschen aus allen Teilen Deutschlands anzog. Dabei nutzten die Nationalsozialisten symbolträchtige Handlungen, um die Massen für sich einzunehmen: Hitler pflanzte bei der ersten Maifeier 1933 auf dem Tempelhofer Feld in Berlin einen Baum, die "Hindenburg-Eiche", die knapp vier Wochen später allerdings von Unbekannten schon wieder gefällt wurde. In vielen anderen Orten des Deutschen Reiches wurden während der Maifeierlichkeiten ebenfalls Bäume gepflanzt, die sogenannten Hitler-Eichen.

Sarah Laubenstein
22. Juni 2015

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