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    Heft zu den Olympischen Spielen 1936

> NS-Regime > Innenpolitik

Die XI. Olympischen Sommerspiele in Berlin 1936

Nach den IV. Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen vom 6. bis 16. Februar 1936 fanden vom 1. bis 16. August in Berlin die XI. Olympischen Sommerspiele statt. Das NS-Regime verwandelte sie in ein perfektes Propagandaspektakel für das nationalsozialistische Deutschland. Als das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Spiele am 13. Mai 1931 an Deutschland vergab, ahnte noch niemand, dass die Weimarer Republik 1933 von einem diktatorischen Regime abgelöst werden würde. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und den ersten Akten des offenen Antisemitismus gab es daher vor allem in den USA und Frankreich Boykottbestrebungen, die von zahlreichen deutschen Emigranten unterstützt wurden.

 

Die Nationalsozialisten, die den olympischen Gedanken der Völkerverständigung stets als "geistige Verirrung" abgetan hatten, erkannten die Chance, mittels der Olympischen Spiele einen enormen Prestigezuwachs in In- und Ausland zu erreichen.

Bereits im Sommer 1933 gab die NS-Regierung daher eine vom IOC geforderte Erklärung ab, die Spiele stünden "allen Rassen und Konfessionen" offen; der populäre deutsche Boxer Max Schmeling wurde in die USA entsandt, um für die Teilnahme an den Olympischen Spielen zu werben, wovon er sich allerdings später distanzierte. In einer knappen Abstimmung entschied sich die nordamerikanische "Amateur Athletic Union" im Dezember 1935 gegen einen Boykott der Olympischen Spiele, die anderen Staaten folgten diesem Beispiel.

Die Spiele wurden unter der Leitung von Joseph Goebbels, Carl Diem und Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten (1887-1943) perfekt vorbereitet: Antisemitische Parolen verschwanden aus dem Stadtbild, Hetze gegen Juden war für die Dauer der Spiele auch in den Medien verboten. Um das Ausland zu besänftigen, starteten in der deutschen Mannschaft zwei Alibi-"Halbjuden", der Eishockeyspieler Rudi Ball und die Fechterin Helene Mayer (1910-1953). Mayer, Olympiasiegerin 1928, gewann 1936 für Deutschland Silber. Umstritten war ihr "deutscher Gruß" bei der anschließenden Siegerehrung. Für die Spiele entwarf der für die Gesamtleitung der Bauten verantwortliche Architekt Werner March (1894-1976) das neue Olympiastadion, das Maifeld, den Glockenturm und die Langemarckhalle. Die Wehrmacht erbaute westlich von Berlin in Döberitz das Olympische Dorf, das nach Ende der Olympischen Spiele von ihr als Kaserne genutzt wurde. Für die deutschen Besucher wurde eine Kraft-durch-Freude-Stadt errichtet.

Am 1. August eröffnete Adolf Hitler die Spiele vor 100.000 Zuschauern im Olympiastadion. Zur Inszenierung der Eröffnungsfeier gehörten die Ankunft des ersten olympischen Fackellaufs vom griechischen Olympia nach Berlin ebenso wie ein imposanter Lichtdom und Vorführungen der Hitler-Jugend (HJ).

Begleitet wurden die Spiele von zahlreichen Theater-, Opern- und Sportinszenierungen, der Deutschlandausstellung und mehreren Kunstausstellungen. Die insgesamt drei Millionen Besucher reagierten begeistert, ebenso die große Mehrzahl der internationalen Pressevertreter. Noch die 1938 anlaufenden Propagandafilme Leni Riefenstahls, "Fest der Schönheit" und "Fest der Völker", wurden auch im Ausland zum Teil äußerst positiv aufgenommen. Für die nationalsozialistische Innen- wie Außenpolitik waren die Olympischen Spiele somit ein voller Erfolg. Die Einschränkung der Pressefreiheit durch Goebbels' Propagandaministerium, die Evakuierung aller in Berlin lebenden Sinti und Roma an den Stadtrand nach Marzahn und die Errichtung des Konzentrationslagers (KZ) Sachsenhausen nur wenige Kilometer vor Berlin parallel zur den Sommerspielen wurden im In- und Ausland kaum wahrgenommen.

Im sportlichen Bereich schnitt das Deutsche Reich aufgrund der großzügigen Förderung der Sportler und des intensiven Trainings hervorragend ab: Mit 33 Gold-, 26 Silber- und 30 Bronzemedaillen in den Sportwettkämpfen gewannen die insgesamt 406 deutschen Athleten - die größte der teilnehmenden Mannschaften - die Nationenwertung vor den USA (24-20-12), Ungarn (10-1-5), Italien (8-9-5), Finnland (7-6-6) und Frankreich (7-6-6). Äußerst erfolgreich war das Team unter anderem in der "deutschen Sportart" Turnen sowie in der Leichtathletik, im Rudern, im Rad- und Pferdesport. Auch im Feldhandball, der in Deutschland besonders beliebt und nur 1936 als olympische Disziplin anerkannt war, gewann die deutsche Mannschaft Gold. Mit großer Spannung verfolgten die Zuschauer das Weitsprungduell zwischen dem Deutschen Lutz Long (1913-1943), der sich mit Silber begnügen musste, und dem Star der Olympischen Spiele, dem schwarzen US-Amerikaner Jesse Owens (1913-1980), der allein vier Goldmedaillen gewann und auch in Deutschland zum Publikumsliebling avancierte.

Lediglich das Ausscheiden der deutschen Fußballmannschaft in der Zwischenrunde mit einem 0:2 gegen Norwegen in dem einzigen jemals von Hitler besuchten Fußballspiel der Nationalmannschaft trübte die Stimmung der meisten Deutschen.

Claudia Prinz
2. Juli 2021

 

 

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