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Die Konferenz von Locarno 1925

Am 5. Oktober 1925 begann in der kleinen Stadt Locarno in der Schweiz eine internationale Konferenz über europäische Sicherheitsfragen, an der neben Reichskanzler Hans Luther und Außenminister Gustav Stresemann die führenden Staatsmänner Italiens, Frankreichs, Großbritanniens, Belgiens, Polens und der Tschechoslowakei teilnahmen. Bereits am 16. Oktober wurden Verträge abgeschlossen, welche ein europäisches Sicherheits- und Friedenssystem begründen sollten. Deutschland, Frankreich und Belgien verzichteten auf eine gewaltsame Veränderung ihrer Grenzen. Die im Versailler Vertrag festgelegte deutsche Westgrenze wurde vom Deutschen Reich ebenso bestätigt wie die Entmilitarisierung des Rheinlands. Großbritannien und Italien übernahmen die Garantie, bei einer Vertragsverletzung der jeweils geschädigten Seite zu Hilfe zu kommen.

Der Garantievertrag wurde ergänzt durch zwei Schiedsverträge Deutschlands mit Frankreich und Belgien sowie mit Polen und der Tschechoslowakei. Alle aufkommenden Streitfragen zwischen den Vertragspartnern sollten durch Schiedsverfahren vor einer internationalen Kommission geklärt werden.

Die Verträge von Locarno, mit denen das französische Sicherheitsbedürfnis gegenüber Deutschland weitgehend zufriedengestellt wurde, galten als entscheidender Schritt zur Friedenssicherung in Europa. Bildlichen Ausdruck fand die positive Stimmung unter den Politikern auf einer Speisekarte mit Karikaturen. Kurz vor Ende der Locarno-Konferenz gab die Vereinigung der beim Völkerbund akkreditierten Journalisten zu Ehren der Delegierten am 15. Oktober 1925 ein festliches Frühstück. Auf der Menükarte sind die acht wichtigsten Teilnehmer der unerwartet erfolgreich verlaufenen Konferenz als Engel dargestellt: Am linken Kopfende des Tisches ist der britische Außenminister Sir Joseph Austen Chamberlain (1863-1937) abgebildet, daneben sein französischer Kollege Aristide Briand. Ihnen gegenüber sitzen die beiden Vertreter Deutschlands: Reichskanzler Luther sowie Außenminister Stresemann.

Entscheidende Voraussetzung für den in Locarno unterzeichneten Verzicht auf eine gewaltsame Änderung der deutschen Westgrenze war die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Briand und Stresemann; beide erlhielten für ihre Arbeit 1926 den Friedensnobelpreis. Mit "Locarno" durchbrach die Weimarer Republik endgültig ihre außenpolitische Isolierung. Zudem war auf der Konferenz der Beitritt Deutschlands zum Völkerbund verabredet worden, der am 10. September 1926 erfolgte. Eine Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze kam in Locarno hingegen nicht zustande, Deutschland behielt sich ausdrücklich die Möglichkeit einer Revision seiner Ostgrenze offen. Die von Briand im Anschluss an "Locarno" entwickelte Konzeption der "Vereinigten Staaten von Europa" fand nach dem Tod Stresemanns am 3. Oktober 1929 in Deutschland keine nennenswerte Unterstützung mehr. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise traten die nationalen Egoismen wieder stärker hervor. 

Burkhard Asmuss/Arnulf Scriba
2. September 2014

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