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    Joseph Goebbels auf dem Gautag der Berliner NSDAP, 1935

> NS-Regime

Innenpolitik

Als der "Führer und Reichskanzler" Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag der NSDAP im September 1934 den Abschluss der "nationalsozialistischen Revolution" verkündete, hatte sich das politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben in Deutschland in nur 20 Monaten tatsächlich nahezu revolutionär verändert. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und ihrer Machtübernahme etablierten die Nationalsozialisten durch Terror und Propaganda bis Sommer 1934 ihre uneingeschränkte Macht im Deutschen Reich. Wer dem Führungsanspruch der Nationalsozialisten nicht Folge leisten wollte oder aber ihrem Rassenideal nicht entsprach, der hatte keinen Platz in der von ihnen propagierten "Volksgemeinschaft".

 

Festigung der Macht

Letzte Kritik innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung beseitigte Hitler mit der Ermordung der Führung der Sturmabteilung (SA) im sogenannten Röhm-Putsch im Juni 1934. Ihrer direkten Konkurrenz als bewaffnete Macht im Staat entledigt, machte sich schließlich auch die traditionsbewusste Reichswehr mit dem noch am Todestag von Reichspräsident Paul von Hindenburg am 2. August 1934 angebotenen Eid auf Hitler persönlich zu einem Instrument der NS-Führung. Nach Hindenburgs Tod vereinigte Hitler durch das "Gesetz über das Oberhaupt des Deutschen Reiches" vom 1. August 1934 zudem die Ämter von Reichspräsident und Reichskanzler in seiner Person. Damit gab es keine verfassungsrechtliche Institution mehr, die seine Stellung auch nur formal hätte einschränken können. In einer Volksabstimmung ließ sich Hitler am 19. August 1934 seine absolute Macht zusätzlich durch Volkswillen "bestätigen": Offiziell 89,9 Prozent der Wähler stimmten für die Vereinigung der Ämter von Staatsoberhaupt und Reichskanzler.

Die Menschen in Deutschland hatten anschließend nur noch wenig Gelegenheit für einen Gang zur Wahlurne, um den Willen der NS-Führung durch Abstimmungen ohne jeglichen demokratischen Charakter zu "legitimieren": Am 29. März 1936 erhielt die Einheitsliste der NSDAP bei sogenannten Reichstagswahlen nach offiziellem Ergebnis 99 Prozent der Stimmen, ebenso viele Wähler stimmten bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 für den "Anschluss" Österreichs. Nach der Besetzung des Sudetenlands fanden dort am 4. Dezember 1938 Ergänzungswahlen zum Reichstag statt. Der Reichstag als Repräsentationsorgan des Volkes war im NS-Regime allerdings ohne Funktion und wurde nur noch selten einberufen. Er diente lediglich der Akklamation von Entscheidungen der NS-Führung.

Herrschaftspraxis im "Führerstaat"

Nur aufgrund der Abkoppelung von herkömmlichen Reichsbehörden konnte der als "Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen" eingesetzte Fritz Todt ungehindert vom Verkehrsministerium und gesetzlichen Bestimmungen den prestigeträchtigen und massenwirksam inszenierten Autobahnbau vorantreiben, denn die NS-Führung besaß keine durch Gesetze und Erlasse gefestigte Form. Hitler allein bestimmte die Grundlinien der Politik, das "Führerwort" besaß Gesetzeskraft. In Deutschland trat eine von formellen und institutionellen Zwängen entbundene Führergewalt an die Stelle der traditionellen Staatsgewalt. Ohne die vor 1933 üblichen förmlichen Festlegungen und Beschlussverfahren veränderte sich auch die Funktion des Kabinetts, dessen Sitzungen immer seltener stattfanden und nach Februar 1938 schließlich ganz wegfielen. Die Regierungsressorts standen ab 1937 mit Hitler durch den Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers (1879-1962), in Verbindung, der im Rang eines Reichsministers ohne Geschäftsbereich die Regierungsgeschäfte betreute und zu koordinieren versuchte. Seitens der NSDAP, ab 1933 einzige Partei im Deutschen Reich und offiziell "Trägerin des deutschen Staatsgedankens", sollte Rudolf Heß nach seiner Ernennung zum "Stellvertreter des Führers" im April 1933 Hitlers Standpunkte gegenüber staatlichen Institutionen und den Parteidienststellen vertreten.

Herkömmliche, aber im nationalsozialistischen Sinn als störend empfundene staatliche Organisationen von Regierung, Justiz und Verwaltung wurden aufgehoben oder mit NS-Organisationen zu halbstaatlichen Behörden verschmolzen. Nach der Gleichschaltung der Länder wurden diese von Hitler persönlich unterstellten Reichsstatthaltern geführt. Sie waren häufig identisch mit den Leitern der NS-Gaue, die zum Teil auch als Oberpräsidenten preußischer Provinzen die starke institutionelle Verklammerung von Partei und Staat verkörperten. Den Landesregierungen übergeordnet, sollten die Reichsstatthalter für die Durchführung der zentralistischen Politik der Reichsregierung sorgen. Aber auch die Reichsregierung sah sich ab 1933 direkter Konkurrenz von zahlreichen NS-Sonderbehörden und Dienststellen ausgesetzt, die ausschließlich Hitler untergeordnet waren. Rivalisierende Kompetenzkonflikte und eine unübersichtliche Ämtervielfalt waren die Folge der Zersplitterung von Aufgabenbereichen, da eine verfassungsrechtliche Festlegung des Verhältnisses von Partei und Staat ganz bewusst unterblieb.

Wirtschaftspolitische Anstrengungen der Nationalsozialisten konzentrierten sich zunächst auf solche - zum Teil schon vor 1933 ausgearbeitete - Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Reduzierung der existenzbedrohenden . Die damit verbundenen Erfolge der Nationalsozialisten wurden durch eine vor 1933 unbekannte Fülle staatlicher Propaganda vermittelt und nicht zuletzt dank der zunehmenden Verbreitung des Volksempfängers in viele Wohnzimmer übertragen. Verantwortlich für die allgegenwärtige Propaganda und den von ihr verbreiteten Führerkult um Adolf Hitler war Joseph Goebbels. Er führte das im März 1933 neuerrichtete Propagandaministerium und war mit weitgehend identischen Aufgabenbereichen gleichzeitig Reichspropagandaleiter der NSDAP.

Stützen der Diktatur

Als langjähriger getreuer Gefolgsmann von Adolf Hitler gehörte Joseph Goebbels ebenso wie Hermann Göring und Heinrich Himmler zum engsten Führungszirkel des NS-Regimes. Himmler befehligte als Reichsführer der Schutzstaffel (SS) dabei das wichtigste Machtinstrument Hitlers. Den machtpolitischen Aufstieg der SS ab 1933 sowie die schrittweise Übernahme der Polizeigewalt aus dem Kompetenzbereich der Länder vollendete Himmler im Juni 1936 mit seiner Ernennung zum "Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei". Die institutionelle Eigenständigkeit der Polizei hörte durch die enge Verschmelzung mit der SS in Personalunionen auch auf unteren Ebenen auf. Die formale Unterstellung Himmlers als Staatssekretär unter Innenminister Wilhelm Frick erwies sich dabei als bedeutungslos: Allein die persönlichen Gefolgschaftsverhältnisse gegenüber dem "Führer" prägten im NS-Regime das personenorientierte Regierungssystem auf höherer Ebene. Himmler direkt unterstellt waren der Sicherheitsdienst (SD) und die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Durch sie gelang eine auch auf Denunziation von Mitbürgern basierende Überwachung der Bevölkerung sowie eine rücksichtslose Verfolgung tatsächlicher oder vermeintlicher Gegner des jeder rechtsstaatlichen Kontrolle entzogenen, totalitären NS-Staates.

Unterdrückung und Terror gegenüber politischer Opposition prägten entschieden die Innenpolitik des NS-Regimes. In "Schutzhaft" genommene Häftlinge warteten zumeist vergeblich auf Gerichtsverfahren oder juristischen Beistand, obwohl sich staatliche Justizbehörden und das Reichsinnenministerium zumindest anfänglich noch gegen die von Himmler forcierten, gerichtlich nicht überprüfbaren Inhaftierungen wandten. Zu gänzlich rechtsfreien Räumen entwickelten sich die Konzentrationslager (KZ), im NS-Jargon häufig beschönigend als "Erziehungslager" tituliert und - wie im Fall des KZ Dachau - als solche in Illustrierten bildhaft dargestellt. Mit Ausweitung der von "Schutzhaft" bedrohten Personengruppen von politisch Andersdenkenden auf Juden, Zeugen Jehovas, "Arbeitsscheue" sowie Sinti und Roma wurden immer mehr Menschen in die Lager verschleppt.

Die nationalsozialistische Politik zielte von Anfang an auf die rasche Ausgrenzung von Juden und anderer als "rassisch minderwertig" Beurteilter aus allen Gesellschafts- und Lebensbereichen. Der staatlich gelenkte Ausschluss aus vielen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens sowie andere massive Unterdrückungsmaßnahmen veranlassten vor allem jüngere Juden zur Auswanderung. Einen radikalen Einschnitt in das Leben der in Deutschland verbliebenen Juden brachten die Nürnberger Gesetze von 1935, die sie zu Menschen minderen Rechts stempelten und auch jene als sogenannte Voll- oder Halbjuden definierten, die sich zeit ihres Lebens nicht als Juden empfunden hatten. Auch sie konnten damit Opfer der Pogromnacht vom 9. zum 10. November werden, in der Nationalsozialisten etwa 100 Juden ermordeten, Hunderte von Synagogen in Brand steckten und Tausende jüdische Geschäfte und Wohnungen demolierten. Dem wegen der vielen zerstörten Schaufensterscheiben auch "Reichskristallnacht" genannten Pogrom folgte eine Fülle weiterer antijüdischer Maßnahmen, mit denen die Juden endgültig jeglicher Existenzgrundlage beraubt wurden.

Obwohl die antijüdische Politik bei einem Großteil der Deutschen nicht auf Anerkennung stieß, fanden nur Wenige den Weg in den Widerstand. Zwar wehrten sich Teile der katholischen und evangelischen Kirche durchaus erfolgreich gegen ihre Gleichschaltung und den Anspruch des NS-Regimes, auch das religiöse Leben der Menschen mit nationalsozialistischer Ideologie zu durchdringen. Zu häufig jedoch blieben auch die Kirchen stumm gegen die NS-Unrechtspolitik und widmeten sich statt dessen ganz ihren sozialen Aufgaben. In der deutschen Bevölkerung erfreute sich das NS-Regime großer Zustimmung. Gründe dafür waren zunächst die Reduzierung der Arbeitslosigkeit und ein vornehmlich durch die schnelle Aufrüstung eingeleiteter Wirtschaftsaufschwung. Sozialpolitische Maßnahmen und Einrichtungen wie das Winterhilfswerk (WHW) gegen Hunger und Armut, die NS-Volkswohlfahrt und nicht zuletzt die beliebte Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) brachten dem NS-Regime ebenso nachhaltig Sympathien ein wie die mit großem Aufwand betriebenen Olympischen Spiele 1936. Hinzu kamen Erfolge in der Außenpolitik, mit denen Hitler die als Schmach empfundenen "Ketten von Versailles" sprengte und Deutschland sukzessive auf Augenhöhe mit anderen Großmächten hievte.

Die meisten Menschen in Deutschland, aber auch im Ausland konnten oder wollten jedoch angesichts der Erfolge Hitlers dessen wahre Absichten nicht erkennen: Die Eroberung von neuem "Lebensraum im Osten" durch Krieg. Der deutsche Angriff auf Polen am 1. September 1939 stellte den ersten Schritt dazu dar.

Arnulf Scriba
4. September 2014

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