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    Die Neue Reichskanzlei, 1939

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Die Neue Reichskanzlei

Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die alte Reichskanzlei in der Wilhelmstraße nach Entwürfen von Paul Ludwig Troost (1878-1934) umgestaltet, um diesem zentralen Regierungsgebäude den Stempel nationalsozialistischer Architektur aufzudrücken. Als Adolf Hitler nach dem Tode Paul von Hindenburgs 1934 auch das Amt des Reichspräsidenten übernommen hatte, wünschte er als "Führer und Reichskanzler" eine Neue Reichskanzlei, die den Herrschaftsanspruch des nationalsozialistischen Deutschlands symbolisieren sollte. Die neue, monumental-repräsentative Residenz nach Entwürfen von Albert Speer sollte in der Voßstraße entstehen. 1934 begann der Aufkauf noch nicht im Staatsbesitz befindlicher Gebäude. Bis April 1938 fielen sämtliche dort stehenden Häuser dem Abriss zum Opfer.

 

Die Vollendung der Neuen Reichskanzlei war für 1940 geplant. Doch schon bald drängte Hitler auf eine Fertigstellung bis Anfang 1939. Nach nur knapp zwölf Monaten Bauzeit war der neue Repräsentationsbau des NS-Regimes bei der Übergabe am 9. Januar 1939 im Wesentlichen fertiggestellt. Die Gesamtkosten für den Bau der Neuen Reichskanzlei betrugen rund 90 Millionen RM. Die NS-Propaganda feierte die kurze Bauzeit des Gebäudes als Ausdruck der "Leistungsfähigkeit und der kulturellen Überlegenheit Großdeutschlands". Unerwähnt blieben dabei die Opfer des hektischen Baugeschehens.

Die Neue Reichskanzlei diente in erster Linie Repräsentationszwecken und war ein Ort der Machtdemonstration. Sie sollte wie andere monumentale NS-Gebäude durch den Wert der verarbeiteten Materialien und durch ihre schiere Größe beeindrucken. Die Neue Reichskanzlei erstreckte sich auf einer Länge von 420 Metern entlang der gesamten Nordseite der Voßstraße. Ihr Ostflügel beherbergte die Präsidialkanzlei und die Oberste Führung der Sturmabteilung (SA) und umschloss den Ehrenhof. Dort wurden Staatsgäste empfangen und Trauerzeremonien abgehalten, so etwa 1942 für Reinhard Heydrich. Das Eingangsportal flankierten zwei Statuen von Arno Breker: "Die Partei" und "Die Wehrmacht". Ebenfalls im Ostflügel lag der Mosaiksaal, der meistgenutzte Repräsentationssaal der Neuen Reichskanzlei.

Im Mitteltrakt befand sich die Marmorgalerie. Mit einer Länge von 146 Metern war sie genau doppelt so lang wie der Spiegelsaal in Versailles. Sie sollte den Anspruch der NS-Führung auf eine deutsche Dominanz in Europa eindrucksvoll verdeutlichen. Die Marmorgalerie musste durchquert werden, um in Hitlers Arbeitszimmer zu gelangen. Der monumentale Raum mit einer Grundfläche von 400 Quadratmetern, einer Höhe von 10 Metern, Marmorwänden und einer schweren Eichenkassettendecke sollte die "Macht" und "Herrlichkeit" des "Führers" vermitteln. Auch der Schreibtisch war Teil der von Speer entworfenen Möblierung, die vor allem als Kulisse für Hitlers Auftritte mit Gästen diente. Hitler hielt sich in diesem zweitgrößten Raum des Gebäudes nur selten auf und nutzte stattdessen das wesentlich kleinere Arbeitszimmer in der alten Reichskanzlei. An die Marmorgalerie grenzte der im Westflügel gelegene Große Empfangssaal an, der mit einer Fläche von 404 Quadratmetern größte Raum der Neuen Reichskanzlei. Auf Veranlassung Hitlers wurde er bis 1943 umgebaut und auf eine Fläche von 870 Quadratmetern vergrößert.

Am 12. Januar 1939 fand der erste und - aufgrund des im selben Jahr beginnenden Zweiten Weltkriegs - einzige Neujahrsempfang des diplomatischen Korps in der Neuen Reichskanzlei statt. Vertreter aus 52 Staaten nahmen daran teil. Im Sommer 1943 wurde die Neue Reichskanzlei erstmals Ziel eines alliierten Bombenangriffs. Am 3. Februar 1945 bombardierten amerikanische Flugzeuge erneut das Regierungsviertel. Dabei trafen sie auch die Neue Reichskanzlei und die Wohnung Hitlers im alten Reichskanzlerpalais. Im April 1945 nahm die Rote Armee Berlin und somit auch die Neue Reichskanzlei ein.

Der Abriss der Ruinen der Neuen Reichkanzlei begann im Februar 1949.

Marian Bertz
15. Juli 2015

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