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Die Weltwirtschaftskrise

Im Winter 1929/30 geriet Deutschland in den Strudel der sich aus dem Zusammenbruch der New Yorker Börse im Oktober 1929 entwickelnden Weltwirtschaftskrise. Der Kapitalstrom nach Deutschland versiegte, als die für die deutsche Wirtschaft so dringend benötigten ausländischen Kredite abgezogen wurden. In den USA und in Europa setzte sich zunehmend nationaler Protektionismus durch, das Welthandelsvolumen fiel von 1929 bis zum Tiefpunkt der Rezession 1932 um 25 Prozent. Der deutsche Warenexport sank in demselben Zeitraum von 13,5 auf 5,7 Milliarden Reichsmark, da der Außenhandel ebenso rapide zurück ging wie die Industrieproduktion des Deutschen Reichs, die um circa 40 Prozent fiel.

Firmenzusammenbrüche, Bankenschließungen und Massenarbeitslosigkeit waren die Folgen der Weltwirtschaftskrise. Zwischen September 1929 und Anfang 1933 stieg die Zahl der Erwerbslosen in Deutschland von 1,3 auf über sechs Millionen. Das Realeinkommen sank um ein Drittel, Armut und Kriminalität nahmen sprunghaft zu. Massenverelendung kennzeichnete in der Wirtschaftskrise das Alltagsleben breiter Bevölkerungsschichten. Die verbreitete Resignation und Verzweiflung vieler Millionen Menschen drückten Walter Ballhause in seinen Fotografien und Karl Josef Weinmair (1906-1944) in seinen Grafiken eindrucksvoll aus. Hoffnungslosigkeit kennzeichnete die Lage der Dargestellten. Für ältere Menschen bestand keinerlei Hoffnung auf eine Anstellung. Auch jüngere Arbeitslose mussten jede Chance eines kleinen Verdienstes ergreifen, um dem gefürchteten sozialen Abstieg und der Obdachlosigkeit zu entgehen. Viele Menschen erkannten nur im Freitod einen Ausweg aus ihrer existenziellen Not. Andere versuchten, durch Heimarbeit, Hausieren und Tauschgeschäfte den täglichen Überlebenskampf zu gewinnen oder zogen als Straßenmusikanten von Haus zu Haus.

Deflationspolitik

Die dramatische Verelendung war auch eine Folge der harten Sparpolitik durch Reichskanzler Heinrich Brüning (Zentrum) als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise. Durchgesetzt wurde sie auf der Grundlage der vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gewährten Notverordnungen, wirtschaftspolitisch entsprach sie dem Konsens der Zeit. Es wurden etliche Steuern und Abgaben erhöht sowie neue Steuern eingeführt, öffentliche Ausgaben reduziert und eingestellt, Gehälter und Renten gekürzt, Versicherungsleistungen eingeschränkt. Die Regierung setzte zudem darauf, das Preisniveau in Deutschland herabzusetzen, um beispielsweise den Export von Waren zu stimulieren, mehr Devisen zu erwirtschaften und letztlich eine positive Konjunkturentwicklung zu bewirken. Dieser Plan ging nicht auf, der Export brach im Verlauf der Krise zusammen.

Staatskrise

Die allgemeine Katastrophenstimmung veränderte zunehmend die politischen Rahmenbedingungen. Aus der Wirtschaftskrise wurde eine Staatskrise. Mit Erfolg entfesselten die Gegner der Weimarer Republik von rechts und links eine beispiellose Agitation gegen die demokratische Ordnung. Der seit den Landtagswahlen 1929 eingesetzte Aufwärtstrend der NSDAP verstärkte sich mit den Reichstagswahlen im September 1930 und, nach Brünings Entlassung, im Juli 1932. Auch die KPD profitierte bei den Wahlen von der allgemeinen Missstimmung gegen die Weimarer Republik und ihrer Wirtschaftsordnung. Die liberale DDP als Vertreterin des parlamentarischen Systems hingegen versank in der politischen Bedeutungslosigkeit.

Oliver Schweinoch, Arnulf Scriba
2. Dezember 2022

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