• 20051337

    Hamburg nach einem Luftangriff, 1944

> Der Zweite Weltkrieg > Kriegsverlauf

Die Luftangriffe auf Städte

Am Ende des Zweiten Weltkriegs glichen sich die Trümmerlandschaften deutscher Großstädte. Lediglich an markanten Punkten wie den Ruinen von Kirchen oder Rathäusern erkannte der Ortsfremde, welcher Stadt die Trümmerlandschaft zuzuordnen war. Historisch gewachsene Stadtbilder wurden mit ihren materiellen und kulturellen Werten in wenigen Stunden dem Erdboden gleichgemacht. Waren die Städte des Hinterlandes vornehmlich von Luftangriffen betroffen, so kamen für die Städte im Frontbereich Belagerung und Artilleriebeschuss hinzu. Was die deutsche Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg erstmals mit der Zerstörung von Guernica anrichtete, wurde in Warschau, Rotterdam, Belgrad oder Murmansk zum "Normalfall". Für die "Luftschlacht um England" war die Luftwaffe von der deutschen Führung angewiesen, ihre Einsätze gegen Großbritannien ausschließlich gegen militärstrategische Ziele wie Flughäfen, Verkehrs- oder Industrieanlagen zu fliegen. 

 

Bis Ende 1942 untersagte Adolf Hitler einen militärisch bedeutungslosen Terrorbombenkrieg gegen Wohngegenden zur Demoralisierung der Bevölkerung. Dennoch wurden bei Luftangriffen auf London oder Industriestädte wie Coventry bis 1945 rund 50.000 britische Zivilisten getötet. Dagegen setzten die Briten ganz bewusst auf systematische Bombardierungen reiner Wohnviertel fernab von Militär- und Industrieanlagen, um den Lebens- und Verteidigungswillen der deutschen Bevölkerung zu brechen. Mit der Ernennung von Arthur Harris (1892-1984) zum Befehlshaber des britischen Bomber Command (BC) im Februar 1942 nahmen die gezielten Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu. Erstes Opfer von massierten Flächenbombardements aus Spreng- und Brandbomben war am 29. März 1942 Lübeck. Einen Monat später folgte Rostock, und Ende Mai 1942 flog die Royal Air Force mit 1.046 Bombern den ersten "1.000-Bomber-Schlag" des Krieges gegen Köln, wo 474 Menschen starben. Der Bombardierung Hamburgs im Juli 1943 durch über 2.200 britische Maschinen fielen über 30.000 Menschen zum Opfer. Berlin war ab November 1943 massiven Luftangriffen ausgesetzt, am 3. Februar 1945 erlebte die Stadt den schwersten Angriff mit über 2.000 Toten. Insgesamt forderten die Luftangriffe auf Berlin bis zu 30.000 Todesopfer. Kaum weniger Menschenverluste verursachte die militärisch bedeutungslose Bombardierung Dresdens am 13./14. Februar 1945. Bei den Bombenangriffen auf deutsche Städte starben insgesamt wohl mehr als 500.000 Menschen.

Ab Ende 1942 sollten die britischen Bombardements mit gezielten deutschen Terrorangriffen auf die britische Zivilbevölkerung beantwortet werden. Die Vergeltungsangriffe auf militärisch bedeutungslose aber kulturhistorisch wertvolle Städte wie Exeter, Canterbury oder York blieben aufgrund der geringen Stückzahl der deutschen Luftwaffe im Westen zumeist ebenso wirkungslos wie die letzten deutschen Bomberoffensiven gegen London und Südengland im Frühjahr 1944 oder die Angriffe der V-Raketen.

Die Bombardierungen deutscher Städte erfuhren ab 1943 durch die Präzisionsangriffe amerikanischer Langstreckenbomber bei Tag, die sich mit den britischen Flächenbombardements bei Nacht abwechselten, eine Steigerung. Die Angriffe der viermotorigen "Fliegenden Festungen" vom Typ Boeing B17 und B24 stießen auf keine nennenswerte Gegenwehr der Flugabwehr oder deutscher Jagdflugzeuge. Ab März 1944 hatten die Alliierten die uneingeschränkte Luftherrschaft über Deutschland. Dennoch verbanden sich mit den gezielten Angriffen auf die deutsche Industrie aufgrund der Verlagerung von Produktionsstätten in ländliche Gebiete oder unterirdische Anlagen kaum Einbußen für die Rüstungsproduktion. Strategisch bedeutsam waren dagegen die Bombardements auf das Verkehrsnetz und die Treibstoffversorgung.

Für die deutsche und britische Bevölkerung bedeuteten die todbringenden Luftangriffe endlose Nächte in Luftschutzbunkern oder Hauskellern, ohne dass jedoch ihre Kampfmoral entscheidend gebrochen werden konnte. Zumeist steigerten die Angriffe den Durchhaltewillen und den Hass auf den Feind. In deutschen Städten reichten bombensichere Luftschutzbunker bei weitem nicht für alle aus. Die meisten Menschen überdauerten die Angriffe in Kellern und Katakomben, die als Schutzräume ausgewiesen waren. Zehntausende Menschen erstickten in Hauskellern an den durch Feuersbrünste hervorgerufenen Sauerstoffmangel. In Schutzräumen verloren viele den Verstand und rannten in Panik auf die Straße - und damit in ihren Tod. Oft aber irrten Menschen im Freien umher, weil in überfüllten Bunkern kein Platz mehr war.

Fliegeralarm und die vom Luftschutz angeordneten, jedoch weitgehend wirkungslosen Verdunklungsmaßnahmen bestimmten den Kriegsalltag deutscher Stadtbewohner in immer stärkerem Umfang. Todesurteile wurden gegen jene vollstreckt, die versuchten, das durch Luftangriffe verursachte Chaos zum Plündern auszunutzen. Nachdem sich Hermann Görings Ankündigung, kein feindlicher Flieger werde deutschen Luftraum erreichen, zunehmend als hohle Phrase herausgestellt hatte, wurden ganze Schulklassen mit der "Kinderlandverschickung" (KLV) aus luftkriegsgefährdeten Städten evakuiert. Halbwüchsige Hitlerjungen dienten als Flakhelfer, oder sie wurden zur Beseitigung der Trümmer und zur Bergung der Leichen herangezogen.

Arnulf Scriba
4. März 2022

lo