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    An der Selektionsrampe in Auschwitz-Birkenau, 1944

> Der Zweite Weltkrieg > Völkermord

Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau

Im Oktober 1941 begannen Häftlinge des Konzentrationslagers (KZ) Auschwitz auf Befehl des Reichsführers der Schutzstaffel (SS) Heinrich Himmler mit dem Bau eines Kriegsgefangenenlagers für mindestens 100.000 Häftlinge in Birkenau. Himmler wollte sie als Arbeitskräfte bei der geplanten "Kolonisierung des Ostens" einsetzen. Da das Stammlager durch die Aufnahme von rund 10.000 sowjetischen Kriegsgefangenen im Oktober 1941 völlig überfüllt war, wurde das Lager in Birkenau in aller Eile ohne Kanalisationssystem und sanitäre Einrichtungen errichtet. Im März 1942 überführte die SS nur noch etwa 900 sowjetische Kriegsgefangene sowie einen Teil der KZ-Insassen in das neue Lager, weil in der Zwischenzeit der Großteil der Rotarmisten an Unterernährung, Typhus und anderen Krankheiten im Stammlager umgekommen war. 

 

Da die SS an ihren Kolonisierungsplänen im Osten festhalten wollte, zog sie nun einen Teil der Juden als Ersatz für die gestorbenen Rotarmisten in Betracht. Nach der Devise "Vernichtung durch Arbeit" verknüpfte die SS-Führung ihre Pläne für den "neuen Ostraum" mit der bereits beschlossenen Ermordung der europäischen Juden. Die "Arbeitsfähigen" wurden nach der "Selektion" an der "Rampe" in Birkenau in den dortigen Baracken untergebracht und schließlich zur Arbeit in die Rüstungskonzerne und in die zum Lager gehörenden landwirtschaftlichen Betriebe überstellt oder direkt bei den Vernichtungsanlagen und der "Sortierstelle" beschäftigt.

Die Mehrheit der nach Birkenau Deportierten wurde jedoch als nicht arbeitsfähig eingestuft und unmittelbar nach der Ankunft in den Gaskammern umgebracht. Anfang 1942 ließ Lagerkommandant Rudolf Höß zwei Bauernhäuser ("Bunker") in einem Wald bei Birkenau zu Gaskammern umbauen. Die ersten Opfer waren vor allem Juden aus Ostoberschlesien, dem Generalgouvernement sowie dem "Protektorat Böhmen und Mähren". Ab März 1942 trafen die ersten großen Transporte mit Juden aus der Slowakei und Frankreich in Birkenau ein. Neben Auschwitz-Birkenau, das ab Sommer 1942 zum zentralen Deportationsziel nahezu aller europäischen Juden im deutschen Herrschaftsbereich wurde, existierten mit Majdanek, Chelmno, Belzec, Sobibor und Treblinka weitere Vernichtungslager im Generalgouvernement und im Warthegau, in denen 2.000.000 Menschen - hauptsächlich polnische Juden - ermordet wurden.

Mit über 6.000 weiblichen Häftlingen des Stammlagers eröffnete die SS im August 1942 ein Frauenkonzentrationslager in Birkenau. Ein weiteres Teillager wurde im Februar 1943 mit einem "Familienlager" für Zigeuner geschaffen. Von den über 23.000 deportierten Sinti und Roma starben die meisten an Hunger, Krankheiten oder den Folgen medizinischer Experimente des Lagerarztes Josef Mengele. Am 2. August 1944 wurden die fast 3.000 noch lebenden Männer, Frauen und Kinder in den Gaskammern ermordet, das "Zigeunerlager" wurde aufgelöst. Ab Anfang September 1943 ließ die Lagerverwaltung in Birkenau das "Familienlager Theresienstadt" mit über 10.700 Juden aus dem Ghetto Theresienstadt einrichten. Viele von ihnen starben bald aufgrund der katastrophalen Verhältnisse in Birkenau, wurden für Menschenversuche benutzt oder in den Gaskammern umgebracht. Im Juli 1944 überführte die SS rund 3.000 "arbeitsfähige" Juden für die Rüstungsproduktion in andere Konzentrationslager. Etwa 7.000 verbliebene jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden in der Gaskammer ermordet, das Familienlager wurde aufgelöst.

Die Leichen der in Birkenau Ermordeten waren zunächst in Massengräbern verscharrt und ab September 1942 unter freiem Himmel verbrannt worden. Zur Erhöhung der Tötungskapazität sowie schnelleren Verbrennung der Leichen ließ die SS im Frühsommer 1943 von der Firma J.A. Topf und Söhne aus Erfurt vier neue große Vernichtungsanlagen in Birkenau errichten. Sie enthielten jeweils einen Entkleidungsraum, eine Gaskammer und ein Krematorium mit einem täglichen Fassungsvermögen von über 4.400 Leichnamen. Auf diese Weise ermordete die SS über eine Million Menschen in Auschwitz, von denen 90 Prozent Juden waren.

Im Zuge der "Evakuierung" des KZ Auschwitz wurde das ehemalige "Zigeunerlager" in Birkenau von Mitte Oktober bis Mitte November 1944 als sogenanntes Transportlager benutzt. Dort überprüfte die SS den Gesundheitszustand und die Arbeitstauglichkeit ausgesuchter Häftlinge, die anschließend für den Einsatz in der Rüstungsproduktion in das "Altreich" transportiert wurden. Als die Ermordung aller bei den Vernichtungsanlagen arbeitenden Mitglieder des jüdischen "Sonderkommandos" absehbar war, organisierten sie am 7. Oktober 1944 einen Aufstand und sprengten das Krematorium IV mit seiner Gaskammer. Nach der Niederschlagung der Revolte erschoss die SS alle Beteiligten. Gegen Ende des Jahrs 1944 wurden alle technischen Installationen der Gaskammern demontiert sowie ein Großteil der Geheimakten verbrannt. Zahlreiche Gegenstände der ermordeten Juden, die die SS in der Sortierstelle gelagert hatte, ließ sie ins Innere des Reichs bringen.

Ab Mitte Januar 1945 schickte die Lagerleitung mehrere Tausend Häftlinge aus Birkenau, dem Stammlager und den Nebenlagern auf "Todesmärsche" in Richtung Westen. Am 26. Januar ließ die Lagerleitung das letzte Krematorium sprengen. Als die sowjetische Armee am 27. Januar 1945 Auschwitz befreite, befanden sich noch etwa 8.500 kranke und erschöpfte Häftlinge im Stammlager und seinen Nebenlagern.

Im Stammlager Auschwitz sowie seinen Nebenlagern Birkenau und Monowitz sind von 1940 bis zur Befreiung 1945 von mindestens 1.300.000 Deportierten fast 900.000 direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet oder erschossen worden.

Jenny Oertle
15. Mai 2015

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