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    Ilse Werner, um 1942

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Kino im NS-Regime

Von 1933 bis 1945 wurden in Deutschland über 1.200 Spielfilme und zahllose Wochenschau- und "Kulturfilme" produziert, die auf ganz unterschiedliche Weise massiven Einfluss auf die schon in der Weimarer Republik vom Kino begeisterte deutsche Bevölkerung nahmen. In der Saison 1934/35 gingen rund 250 Millionen Menschen in die Kinos, fünf Jahre später waren es bereits über eine Milliarde Kinobesucher jährlich. Das Angebot an Filmen hatte eine große Bandbreite: Es umfasste politisch-propagandistische Filme ebenso wie leicht unterhaltende Streifen. Ab 1934 war den Kinobesitzern verbindlich vorgeschrieben, im Vorprogramm wenigstens einen "Kulturfilm" und die Wochenschau zu zeigen.

Bei den "Kulturfilmen" handelte es sich um kurze Sach- und Dokumentationsfilme, die sich nach außen objektiv und sachlich präsentierten und häufig Themen wie Rassenlehre oder "Blut und Boden" propagierten. Der Wochenschau dagegen kam die Aufgabe zu, die Leistungen des NS-Regimes ausführlich darzustellen und zu würdigen. Im Zweiten Weltkrieg sollte diese Sendung die "Volksgenossen" durch die vermeintliche Aktualität und Authentizität der gestellten Bilder für die militärischen Erfolge begeistern.

Um die "Größe" und die Ideale des NS-Regimes der Bevölkerung im Kino vor Augen zu führen, wurde die Regisseurin Leni Riefenstahl mit der filmischen Dokumentation der Reichsparteitage und der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin beauftragt. In "Sieg des Glaubens" (1933) und "Triumph des Willens" (1934) faszinierte sie die Zuschauer durch ästhetisierende Monumentalaufnahmen von den Parteitagen in Nürnberg. Die inszenierten Aufmarschszenen von Sturmabteilung (SA), Hitlerjugend (HJ) und Reichsarbeitsdienst (RAD), das flatternde Fahnenmeer und die Heroisierung Adolf Hitlers als "nationaler Erlöser" sollten dem Kinozuschauer das Bild einer geschlossen hinter ihrem "Führer" stehenden Volksgemeinschaft suggerieren. Die auch international gefeierten Olympiafilme "Fest der Völker" (1936) und "Fest der Schönheit" (1938) zeigten das von den Nationalsozialisten propagierte Idealbild des nordischen Menschen durch eine perfekte ästhetische Inszenierung von wohlproportionierten und durchtrainierten Körpern.

Ein neues Genre des NS-Kinos war der Propagandaspielfilm. Bereits 1933 war der Film "SA-Mann Brand. Ein Bild aus unseren Tagen" im Kino zu sehen. In eine dürftige Spielhandlung waren vor allem reichlich Massenszenen und Aufmärsche eingebaut. "Hans Westmar. Einer von vielen" (1933) stellte pathetisch überhöht das Leben des NS-Helden Horst Wessel dar. Weitere Repräsentanten dieses Genres waren "Hitlerjunge Quex" (1933) mit Heinrich George und "Junge Adler" (1944) mit Willy Fritsch und dem jungen Hardy Krüger (geb. 1928) in den Hauptrollen. In beiden Filmen wurde die Hitlerjugend als "Garant der Zukunft" gefeiert. Eindringlich wurde die nationalsozialistische Rassenideologie in antisemitischen Hetzfilme dargestellt. Der im Ghetto von Lodz gedrehte "Dokumentarfilm" "Der ewige Jude" (1940) zeigte die Juden als minderwertige Rasse, welche die Kulturvölker - zumal das deutsche - von innen heraus zu zersetzen versuchten. Eingeleitet wurde der Film mit der gleichnishaften Darstellung wandernder Ratten, deren Tötung ein Akt der Seuchenhygiene darstellen sollte. Ebenfalls 1940 drehte Veit Harlan den antisemitischen Spielfilm "Jud Süß" mit Heinrich George und Kristina Söderbaum in den Hauptrollen. Beide Filme beabsichtigten durch Verwendung antisemitischer Stereotype und der These von der jüdischen Weltverschwörung, in der deutschen Bevölkerung Zustimmung für verschärfte antisemitische Maßnahmen bis hin zur Deportation von Juden zu erzielen.

In etwas weniger penetranter Form transportierten auch Historienfilme nationalsozialistisches Gedankengut. In zahlreichen Spielfilmen wurden dem Zuschauer "Führergestalten" wie Politiker, Militärs, Ärzte, Künstler vorgeführt. Ohne dass explizite Bezüge zum NS-Regime hergestellt wurden, sollte der Zuschauer das Führerprinzip als natürlich empfinden und in die Gegenwart hineintransponieren. 1939 spielte der NS-Vorzeigeschauspieler Emil Jannings in "Robert Koch - Bekämpfer des Todes" den Entdecker des Tuberkelbazillus, der sich, ohne je Zweifel an seiner Mission zu haben, gegen alle Widerstände durchsetzt. Weitere "Persönlichkeitsfilme" heroisierten besonders den Dramatiker Friedrich Schiller (1759-1805), den burischen Freiheitskämpfer Ohm Krüger (1825-1904), den Erfinder Rudolf Diesel (1858-1913) oder den Kolonialpolitiker Carl Peters, dargestellt von Hans Albers. Explizit politische Führer wurden gezeigt in "Der große König" (1942) mit Otto Gebühr über den Preußenkönig Friedrich II. (1712-1786) und in "Die Entlassung" (1940) über Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck (1815-1898). In allen Filmen überwindet der willensstarke Einzelne Widerstände und rettet so sein Volk. Anhand solcher Filme, vor allem über die "glorreichen" Epochen preußisch-deutscher Geschichte, sollten dem Publikum Pflichterfüllung, Durchhaltewillen, Schicksalsergebenheit, bedingungsloses Führertum und Gefolgschaftstreue bis in den Tod vor Augen geführt werden.

Allerdings bildete den Großteil der Filmproduktion der Sektor der leichten Unterhaltungsfilme wie der Komödie oder des Musik- und des Heimatfilms. Das filmbegeisterte Publikum konnte so im Jahr zwischen rund hundert Unterhaltungfilmen auswählen und neben George, Jannings, Gebühr, Albers, Heinz Rühmann weitere beliebte Stars der 1930er und 1940er Jahre wie Zarah Leander, Lil Dagover, Ilse Werner, Marika Rökk, Jan Kiepura (1902-1966), Willy Birgel, Hans Söhnker (1903-1981) oder Erich Ponto (1884-1957) erleben. Beispielsweise sahen über 25 Millionen Menschen den 1942 uraufgeführten Kassenschlager "Die große Liebe" mit Zarah Leander, deren im Film gesungenes Lied "Es wird einmal ein Wunder geschehen" einer der größten Musikerfolge während des Zweiten Weltkriegs war. Derartige Filme dienten dazu, die Kinobesucher in Kriegszeiten bei Laune zu halten und vom Elend, von den Sorgen und Nöten des Alltagslebens abzulenken. Filmproduktionen, die nach Ansicht der NS-Führung dazu nicht geeignet waren, wurden die Vorführungen verwehrt. So konnte "Große Freiheit Nr. 7" mit Hans Albers und Ilse Werner, einer der anspruchsvollsten Filme der NS-Zeit, in Deutschland erst nach dem Krieg gezeigt werden. Uraufgeführt wurde er im Dezember 1944 in Prag, nachdem Propagandaminister Joseph Goebbels Aufführungen des Film aufgrund dessen melancholischer Tendenzen im Deutschen Reich untersagt hatte.

Max Schreiber
14. August 2015

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