> Weimarer Republik > Antisemitismus

Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus (Abwehrverein)

Als Reaktion auf den sich in den 1880er Jahren ausbreitenden Antisemitismus gründeten zahlreiche bürgerlich-liberale Persönlichkeiten 1890 den "Verein zur Abwehr des Antisemitismus". Im Gründungsaufruf postulierten über 500 Unterzeichner christlicher Konfessionen die Aufgabe, "dem verderblichen und unchristlichen Treiben der Antisemiten" entschieden entgegenzutreten. Das Hauptziel des Abwehrvereins bestand in der Durchsetzung der gesellschaftlichen Gleichberechtigung deutscher Juden, die zwar formal in der Reichverfassung von 1871 verankert, in der Praxis aber weitgehend missachtet wurde. Die Mitgliederzahlen des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus lagen in der Zeit seines Bestehens relativ konstant zwischen 14.000 und 20.000. Zu seinen führenden Mitgliedern zählten der Historiker Theodor Mommsen, der Schriftsteller Heinrich Mann, Politiker wie Otto Landsberg, Hugo Preuß, Rudolf von Gneist (1816-1895), Theodor Barth (1849-1909), Heinrich Krone (1895-1995) sowie der linksliberale Politiker Heinrich Rickert (1833-1902).

Inhaltlich konzentrierte sich der Abwehrverein darauf, die antisemitischen Stereotype von rassischer Unreinheit und Minderwertigkeit der Juden zu widerlegen und Behauptungen wie den immer wieder auftauchenden Vorwurf des jüdischen Ritualmords als Lüge zu entlarven. Hierbei arbeitete der Verein eng mit der Fortschrittlichen Volkspartei und dem "Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" (CV) zusammen, dessen Schwerpunkt vornehmlich das juristische Vorgehen gegen antisemitische Anschuldigungen war. Der Abwehrverein versuchte indessen durch Aufklärung in seinem Verbandsorgan, den "Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus" (ab 1925: "Abwehr-Blätter") sowie Flugschriften und Broschüren den Antisemitismus zu bekämpfen. Seine Schriften richteten sich hauptsächlich gegen völkische Organisationen wie den Alldeutschen Verband, den Bund deutscher Landwirte (BdL) und die Deutsch-Konservative Partei.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs und dem von Kaiser Wilhelm II ausgerufenen Burgfrieden hegte der Abwehrverein die Absicht, den Kampf gegen die völkischen Gruppierungen einzustellen, musste aber bereits 1915 feststellen, dass der Antisemitismus beiweiten nicht überwunden war. Die während des Kriegs aufgekommenen Vorwürfe der "jüdischen Drückebergerei" und des "jüdischen Kriegswuchers" verstärkten sich in der Zeit der Revolution von 1918/19, als auch die Juden für die Kriegsniederlage verantwortlich gemacht und als Repräsentanten des Weimarer Systems angegriffen wurden. Der Abwehrverein publizierte daher ein "Abwehr-ABC", das Argumente zu den gängigen antisemitischen und rassistischen Diffamierungen enthielt und gleichzeitig Beurteilungen zur Haltung verschiedener Parteien bezüglich des Antisemitismus enthielt. Eng kooperierte der "Verein zur Abwehr des Antisemitismus" mit der DDP, deren Reichstagsabgeordneter Georg Gothein gleichzeitig ab 1921 den Vorsitz des Vereins führte.

Nach einer aus finanziellen Schwierigkeiten resultierenden Neuorganisation des Vereins Mitte der 1920er Jahre stand immer mehr die Auseinandersetzung mit der radikal-militanten NSDAP im Vordergrund der Vereinsaktivitäten. In den "Abwehr-Blättern" setzte sich der Verein intensiv mit Adolf Hitlers "Mein Kampf" sowie der NSDAP auseinander und bezog zu judenfeindlichen Kampagnen der Nationalsozialisten regelmäßig Stellung. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme musste der "Verein zur Abwehr des Antisemitismus" seine Aktivitäten einstellen. Die letzte Ausgabe der "Abwehr-Blätter" erschien im März 1933.

Johannes Leicht
25. Juni 2015

lo