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    Deutsche Soldaten ziehen durch die Straßen von Szeged, 1944

> Der Zweite Weltkrieg > Kriegsverlauf

Ungarn als Verbündeter des Deutschen Reiches

Der erste Regierungschef, der Adolf Hitler nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im Januar 1933 einen offiziellen Besuch abstattete, war der ungarische Ministerpräsident Gyula Gömbös (1886-1936). Seit 1924 war er Führer der nationalistischen "Partei der Ungarischen Nationalen Unabhängigkeit" ("Magyar Nemzeti Függetlenek Pártja") - besser bekannt als "Rassenschutzpartei” ("Fajvédõ Párt") - und unterhielt enge Verbindungen zu der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Die Regierung von Gömbös schloss mehrere Wirtschaftsverträge mit Deutschland und band Ungarn eng an das Deutsche Reich. Nach dem Tod von Gömbös 1936 wurde Kálmán Darányi (1886-1939) neuer Ministerpräsident, nach dessen Rücktritt im Mai 1938 Béla Imrédy (1891-1946). Innenpolitisch verschärften sie mit dem ersten Judengesetz von Mai 1938 vor allem die antijüdische Gesetzgebung und damit eine Ausgrenzung von Juden aus dem öffentlichen Leben.

Außenpolitisch setzten Darányi und Imrédy auf Betreiben des ungarischen Staatsoberhaupts Miklós Horthy (1868-1957) die freundschaftlichen Beziehungen zum Deutschen Reich fort. Damit erfüllten sich nicht die Hoffnungen anderer Staaten, in Europa eine "Mauer" gegen das nationalsozialistische Deutschland aufzubauen, wie es die Karikatur aus Polen mit einem heranstürmenden Hitler noch hoffnungsvoll zum Ausdruck brachte. Vielmehr war die ungarische Außenpolitik geleitet von Bestrebungen nach Revision des Vertrages von Trianon von 1920, durch den Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg große Gebietsverluste zugunsten seiner Nachbarn hinnehmen musste. Das dem Land angeblich zugefügte Unrecht konnte Ungarn dank deutscher Unterstützung zumindest teilweise revidieren: Nach der "Zerschlagung der Rest-Tschechei" durch das Deutsche Reich erhielt Ungarn durch den Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938 Gebiete mit überwiegend ungarischer Bevölkerung von der soeben die Autonomie erlangten und ebenfalls mit Deutschland verbündeten Slowakei sowie Karpato-Ukraine zurück. Sie waren 1920 der Tschechoslowakei zugesprochen worden. Die ungarische Propaganda feierte die Rückgabe der Gebiete als Erfolg einer an Deutschland orientierten Außenpolitik, die sich 1939 mit dem Austritt Ungarns aus dem Völkerbund und der Unterzeichnung des Antikominternpakts durch Horthy weiter intensivierte. Dafür wurde Ungarn 1940 von Hitler erneut "belohnt", diesmal auf Kosten des ungarischen "Hauptfeinds" Rumänien: Das dem Nachbarland 1920 zugesprochene Siebenbürgen ging in Teilen wieder an Ungarn zurück.

Der Ungarn und Rumänien von Deutschland aufgezwungene Schiedsspruch sollte aus strategischen Gründen den Gegensatz beider mit dem Reich verbündeter Staaten nach Beginn des Zweiten Weltkriegs beenden. Ministerpräsident Pál Teleki (1879-1941) hatte zwar mit Kriegsbeginn versucht, die Neutralität des Lands zu bewahren und verbot daher den Durchmarsch deutscher Truppen durch Ungarn bei deren Überfall auf Polen am 1. September 1939. Am 20. November 1940 trat Ungarn jedoch dem Dreimächtepakt bei und begab sich damit eindeutig auf die Seite der Achsenmächte. Dennoch kam Teleki in einen Interessenskonflikt, als das Deutsche Reich im Frühjahr 1941 von Ungarn Unterstützung beim bevorstehenden Balkanfeldzug verlangte. Mit Jugoslawien hatte Ungarn erst am 12. Dezember 1940 einen "ewigfreundschaftlichen" Vertrag unterzeichnet, der auch nach dem Putsch gegen die deutschfreundliche jugoslawische Regierung unter Dragisa Cvetkovic (1893-1969) am 27. März 1941 Gültigkeit besaß. Teleki entzog sich durch Selbstmord am 3. April 1941 der politischen Verantwortung.

Um das Bündnis mit Deutschland nicht zu gefährden und zur Befriedigung weiterer Revisionsabsichten, ließen Horthy und der neue Ministerpräsident László Bárdossy (1890-1946) am 6. April 1941 auch die ungarische 3. Armee in Jugoslawien einmarschieren. Großbritannien brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Ungarn ab, das nach dem Ersten Weltkrieg an Jugoslawien verlorene Gebiete - Bácska, Bánát, Muraköz und das Dreieck von Baranya - zurückgewann. In den deutschen Vorbereitungen zum Angriff auf die Sowjetunion spielte Ungarn hingegen eine nur untergeordnete Rolle. Hitler brachte der ungarischen Führung wenig Vertrauen entgegen und forderte das Land nicht zur Teilnahme am "Unternehmen Barbarossa" auf. Um bei der "Neuordnung Europas" nach einem erwarteten schnellen deutschen Sieg im Osten gegenüber den kriegsbeteiligten Staaten Slowakei und Rumänien nicht benachteiligt zu werden, erklärte Ungarn der Sowjetunion am 27. Juni 1941 daraufhin eigeninitiativ den Krieg.

Von einer Kriegsbegeisterung konnte in Ungarn allerdings keine Rede sein. Vielmehr stieß die Rekrutierung von Zehntausenden Ungarn auf zum Teil heftigen Unmut. Abgesehen von dem 24.000 Mann umfassenden motorisierten "Schnellen Korps" genügte die Ausrüstung des im Krieg gegen die Sowjetunion beteiligten ungarischen 2. Armeekorps kaum modernen Ansprüchen. Die ungarischen Truppen hatten im weiteren Kriegsverlauf deshalb Schwierigkeiten, den 200 Kilometer langen Frontabschnitt südlich von Woronesch entlang des Dons zu schützen. Neben ungeeigneter Bewaffnung litten sie vor allem unter einer miserabelen Versorgung mit Lebensmitteln und Nachschub. Der sowjetische Angriff am 12. Januar 1943 durchbrach daher den ungarischen Frontabschnitt innerhalb von zwei Tagen. Dabei starben über 40.000 ungarische Soldaten, 35.000 wurden verletzt, rund 60.000 Mann gerieten in Kriegsgefangenschaft.

Aufgrund der eingetretenen Kriegswende mit dem Vormarsch der Roten Armee, den hohen Verlusten an der Front und der wachsenden Missstimmung in Ungarn auch angesichts einer immer schlechter werdenden Wirtschafts- und Versorgungslage trat der seit März 1942 amtierende Ministerpräsident Miklós Kállay (1887-1967) auf Geheiß Horthys 1943 mit den Westalliierten in Kontakt. Ungarn war bereit, sich gegen Deutschland zu wenden, wenn es dafür die Unterstützung der Allierten fände. Gleichzeitig beharrte Ungarn aber auf die Gebiete, die es zwischen 1938 und 1941 zurückerhalten hatte. Diese von Horthy geführte "Schaukelpolitik" ("hintapolitika") allerdings misslang: Ende Februar 1944 befahl Hitler - auch zur Sicherstellung dringend benötigter Nahrungsmittel - die Besetzung Ungarns, wo die Deutschen wenig später unter Leitung von Adolf Eichmann und mit Unterstützung der faschistischen Pfeilkreuzler mit der Deportation der ungarischen Juden nach Auschwitz begannen.

Die von Deutschland eingesetzte Kollaborationsregierung unter dem bisherigen Gesandten in Berlin, Döme Sztójai (1883-1946), schickte neue Divisionen an die Ostfront, wo bereits rund 300.000 Ungarn kämpften. Angesichts der sich deutlich abzeichnenden Kriegsniederlage Deutschlands versuchte Horthy im Oktober 1944 erneut - aber widerum vergeblich - einen "Sprung aus dem Krieg" ("kiugrás"). Horthys Nachfolger Ferenc Szálasi (1897-1946), Führer der Pfeilkreuzerbewegung, verkündete die totale Mobilmachung gegen die Rote Armee, die im Rahmen ihrer Sommeroffensive 1944 ungarisches Gebiet erreicht hatte und auf Budapest vorstieß. Weihnachten 1944 schloss sich der Ring um die ungarische Hauptstadt, die auf Befehl Hitlers zäh verteidigt werden sollte. Der Kampf um Budapest dauerte bis Mitte Februar 1945, Anfang April zogen sich die letzten Wehrmachtseinheiten aus Ungarn zurück, und das Land wurde vollständig von den Sowjets besetzt. Die von ihnen im Dezember 1944 eingesetzte provisorische ungarische Regierung unter Béla Dálnoki-Miklós (1890-1948) hatte bereits am 20. Januar in Moskau ein Waffenstillstandsabkommen mit den Allierten unterzeichnet.

Im Zweiten Weltkrieg verloren insgesamt etwa 900.000 Ungarn ihr Leben, mehr als sechs Prozent der Gesamtbevölkerung.

Kornelia Papp
19. Mai 2015

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